Die Julia Stoschek Foundation im Düsseldorfer Schauspielhaus Tanzend durch parallele Welten

Düsseldorf · Das Privatmuseum von Julia Stoschek setzt mit Werken von neun internationalen Medienkünstlerinnen und -künstlern ungewohnte Akzente im Düsseldorfer Schauspielhaus – ein kostenloses Angebot nicht nur fürs Pausenpublikum.

Wael Shawky, „Cabaret Crusades: The Path to Cairo“ (2012).

Foto: Julia Stoschek Foundation

Was heute als „zeitbasierte Kunst“ gilt, erforderte früher eine umständliche Aufzählung: Video, Film, Videoinstallationen, Multimedia-Environments, Performance-, Sound- und Virtual-Reality-Arbeiten. Und wer weiß, was alles in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren noch hinzukommt? Die in Düsseldorf und Berlin verankerte Julia Stoschek Foundation gibt jetzt außerhalb ihrer beiden Ausstellungshäuser Einblick in ihre Sammlung. Im Foyer des Düsseldorfer Schauspielhauses präsentiert sie Werke von neun international wirkenden Medienkünstlerinnen und -künstlern – ein anregendes, dazu kostenloses Angebot für Passanten und das Pausenpublikum der abendlichen Aufführungen.

Ins Theater geht man üblicherweise nicht, um sich in seinen Ansichten bestätigen zu lassen. Anreiz ist eher die Möglichkeit, die Dinge aus anderer Perspektive zu betrachten. Wer nun in die Ausstellung „Shifting“ („Verschieben, Wechseln“) eintauchen möchte, sollte auf alles gefasst sein. Vor allem darauf, dass es zwischen Himmel und Erde mehr Parallelwelten gibt, als mancher sich auszumalen vermag. Darin erobert eine junge Generation die Welt im Tanzen, überraschenderweise auch im Erzählen.

Die Dänin Emma Rosenzweig zum Beispiel inszeniert in ihrer Videoarbeit „Unter der Brücke“ ein Schönheitssanatorium in einem Park von Kopenhagen. Darin begegnen einander eine junge Frau, die ihr Gesicht verändern lassen möchte, und ihre Mutter, die gegen diese Entscheidung Bedenken hat. Während die Tochter sich im Namen individueller Freiheit selbst verwirklichen will, kontert die Mutter mit Gesellschaftskritik: den Zwängen von Schönheitsnormen. Die Kulisse dieses Disputs bildet eine romantische Brücke inmitten von anheimelnder Natur, nahe der Künstlichkeit eines Wellness-Paradieses. Es geht um die Spannung zwischen Selbstverwirklichung und Anpassungsdruck im gegenwärtigen Postfeminismus.

Episoden des Ersten und
des Zweiten Kreuzzugs

Der ägyptische Videokünstler Wael Shawky, 2003 Teilnehmer der Kunstbiennale von Venedig und der Documenta 13 von 2012, erzählt Episoden des Ersten und des Zweiten Kreuzzugs aus arabischer Perspektive, und zwar als Mischung aus Figurenspiel, Oper und Miniaturmalerei. Daraus konstruiert er ein Marionettentheater mit Musik, in dem er zeigen will: In dieser Darstellung gibt es keine Helden, sondern nur ein schwer durchschaubares Spiel um Macht, Glaube und Erinnerung.

Ebenfalls zwischen unterschiedlichen Genres bewegt sich die Künstlerin und Musikerin Klein. Rings um die junge Youtuberin Blessing erwächst ein Geflecht aus Sitcom-Szenen und medienkritischen Einschüben inmitten einer entwidmeten Kirche. Reality-TV und Liturgie durchkreuzen einander bis zur Undurchschaubarkeit.

Typisch für „Shifting“ ist ebenso die Clubatmosphäre in der Videoarbeit „Intimer Schrei“, die die dänische Künstlerin Courtesy mit der Modefotografin Laura Schaeffer entwarf. Die Szenen spiegeln Beziehungen und Freundschaften, die an flüchtigen Orten wie Club, Atelier und Social Media entstehen und irgendwann zerbrechen. Freundschaft, Begehren und Einsamkeit, so offenbart sich darin, liegen erschreckend dicht beieinander.

So schreitet man im Foyer des Schauspielhauses von einem Beispiel ganz junger, ganz gegenwärtiger, oft körperbetonter Kunst zum nächsten. Lou von der Heyde, die Kuratorin, gehört dieser Generation spürbar an. Wenn man sie fragt, was sie auf ihrem Erfahrungs- und Wissensgebiet am meisten interessiert, nennt sie keine Namen, die in der Szene bereits einen Klang haben, sondern: „Mich interessiert, welche Künstler die Zukunft bestimmen werden.“

(bm- w.g.)