Münchner Kammerspiele großer Gewinner der Theatersaison

München (dpa) - Er hat die Welt nach München gebracht - und München in die Welt. Dafür hat der Holländer Johan Simons nun die verdiente Auszeichnung gekommen: Seine Münchner Kammerspiele sind das „Theater des Jahres“ 2013.

„Wir sind sprachlos“, sagt Theatersprecherin Claudia Illi. Denn nicht nur die Kritiker-Auszeichnung für die Bühne des Jahres geht nach München, sondern auch die für die besten Schauspieler (Sandra Hüller und Steven Scharf) und den besten Nachwuchsschauspieler (Risto Kübar). Und auch bei der Inszenierung des Jahres sind die Kammerspiele mit Sebastian Nüblings „Orpheus steigt herab“ in der Kritikereinschätzung der Zeitschrift „Theater heute“ ganz vorne mit dabei.

Die Auszeichnung kommt eigentlich nicht überraschend. Denn was Simons seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren in München geleistet hat, verdient Anerkennung. Dabei war er 2010 in sehr große Fußstapfen getreten, als er als Nachfolger von Frank Baumbauer an die Kammerspiele kam. Der hatte das Theater in seiner letzten Saison 2009 ebenfalls zum „Theater des Jahres gemacht“.

Nach den Dieter-Dorn-Jahrzehnten an den Kammerspielen brach schon Baumbauer mit Traditionen und ließ mit mutigen, modernen Inszenierungen einen neuen Wind wehen in diesem bedeutenden Theater der Stadt München, wo einst Heinz Rühmann auf der Bühne stand und Bertolt Brecht als Dramaturg arbeitete.

Simons setzte diese Entwicklung nicht nur fort, er setzte noch eins drauf: Unter ihm haben sich die Kammerspiele vor allem zu einem internationalen Theater entwickelt - mit internationalen Inszenierungen und internationalen Schauspielern. Sogar Bayerns Märchenkönig Ludwig II. wurde 2011 an den Kammerspielen zum Holländer, verkörpert von dem 2012 gestorbenen Schauspieler Jeroen Willems. Das gefeierte Stück „Three Kingdoms“ von Simon Stephens, eine mehrsprachige, internationale Co-Produktion, wurde 2012 von „Theater heute“ zum ausländischen Stück des Jahres erklärt. „Wie Johan Simons die Münchner Kammerspiele in ein internationales Stadttheater verwandelt“ - so hat Silvia Stammen ihren Artikel zur Auszeichnung in „Theater heute“ überschrieben.

„Kultur ist für jede Gesellschaftsschicht da“, lautet das Credo von Theatermann Simons, der aus der niederländischen Provinz stammt und von sich selbst sagt, er habe sich aus einer „eher unteren Schicht“ hochgearbeitet. Er holte das Theater, das im vergangenen Jahr seinen 100. Geburtstag feierte, auf die Straße und an ungewöhnliche Aufführungsorte - um Schwellenängste abzubauen. Die Neuinszenierung von Aischylos' „Die Perser“ ließ er 2011 in einer Kaserne spielen.

Ausgerechnet in der nun ausgezeichneten Jubiläumssaison 2012/13 rüttelten die Kammerspiele außerdem gewaltig an den eigenen Mythen: „Die Straße. Die Stadt. Der Überfall“ von Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, einer von Simons' bevorzugten Autorinnen, befasste sich mit der Kammerspiel-Heimat Maximilianstraße und Simons wagte sich an Shakespeares „King Lear“, das Stück, mit dem Dieter Dorn 1992 eine der wohl legendärsten Inszenierungen seiner Kammerspiel-Zeit vorlegte. Das Rütteln hat sich gelohnt, wie die Auszeichnung der Zeitschrift „Theater heute“ zeigt.

Was Simons mit den Kammerspielen gemacht hat, macht Schule in München. Auch das freistaatliche Residenztheater auf der anderen Seite der Maximilianstraße wandelt unter dem Intendanten Martin Kusej auf Kammerspiel-Spuren. „Wenn man im Ausland ist und sagt, man kommt aus München, dann denken alle, man kommt von den Kammerspielen“, hatte der Österreicher Kusej bei seinem Amtsantritt gesagt und das Motto „Mehr Internationalität wagen“ auch auf die Fahnen seines Hauses geschrieben. Für die nun startende neue Spielzeit wollen die Häuser noch enger zusammenarbeiten: Simons wird ein Stück am „Resi“ inszenieren, Kusej eins an den Kammerspielen.

Zwei Spielzeiten haben die Kammerspiele noch mit Simons, dann verlässt der Holländer München, um näher bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein, wie er sagt. Er wird 2015 Intendant der Ruhrtriennale. Das Ruhrgebiet liegt nun einmal deutlich näher an der niederländischen Grenze als die bayerische Landeshauptstadt. Wer ihm an der Spitze der Kammerspiele folgt, will die Stadt voraussichtlich noch in diesem Jahr bekanntgeben. Spätestens nach dieser Auszeichnung ist aber klar: Auch Simons' Nachfolger muss in große Fußstapfen treten.