Neuauflage von „Jud Süß“ in Worms
Worms (dpa) - Versprochen ist ein Polit-Thriller, der den Zuschauern mahnend einen Spiegel vorhalten soll: Regisseur Dieter Wedel hat sich für die elfte Auflage der Nibelungen-Festspiele in Worms den Vorjahresstoff noch einmal vorgenommen.
Es ist die Geschichte vom Aufstieg und Fall des jüdischen Finanzberaters Joseph Süß Oppenheimer. Mit der aktualisierten Version will der Festspiel-Intendant zeigen, dass sich solche Tragödien um Macht, Geld und Ausgrenzung zu jeder Zeit abspielen können - auch heute.
Oppenheimer ist eine historische Figur aus dem 18. Jahrhundert. Auf der Freilicht-Bühne am Wormser Dom wird deshalb im Grunde die gleiche Geschichte noch einmal erzählt: Der Finanzberater gewinnt das Vertrauen von Herzog Karl Alexander von Württemberg und schlägt ihm neue Steuern vor. Damit macht er sich diejenigen zum Feind, die das Geld zahlen sollen: Die Landstände, die adeligen Großgrundbesitzer, die Ratsherren der Städte und die Bauern. Am Ende wird Oppenheimer zum Tode verurteilt und aufgehängt.
Die Lebensgeschichte Oppenheimers ist ein heikler Stoff, denn auch die Nationalsozialisten diffamierten „Jud Süß“ und missbrauchten ihn für ihre antisemitische Propaganda. Auch auf der Wormser Bühne werden judenfeindliche Parolen gerufen und Oppenheimer wird gedroht, dass er als „Gast in unserem Land“ die Traditionen nicht anzutasten hat - zum Beispiel wer Steuern zu erheben und wer sie zu zahlen hat.
Wedel hat die Szenerie diesmal in die 1930er Jahre verlegt und damit in die Zeit kurz vor der Machtergreifung Adolf Hitlers. Der Regisseur will damit auf Parallelen zu heute verweisen, die ihm Sorge bereiten: Auch vor 80 Jahren gab es eine Wirtschafts- und Bankenkrise. In der Neonazi-Zelle NSU sieht Wedel zudem ein Zeichen für das Erstarken rechtsextremer Kräfte. Dass in den 1930er Jahren allerdings längst nicht mehr die Landstände den Ton angaben, hat er bei der Überarbeitung wohl übersehen.
Der Verweis auf die heutige rechtsextreme Szene kommt ganz zum Schluss als Einblendung eines antisemitischen Neonazi-Hetzlieds, während Oppenheimer bereits gehängt ist. Auf einer Leinwand werden dazu Zitate aus einer Studie eingeblendet, nach der Vorurteile gegenüber Juden nach wie vor weit verbreitet sind. Das Publikum reagierte bei der Premiere am Freitag wohl auch deshalb mit einem zunächst verhaltenen, dann aber langandauernden Applaus.
In der Hauptrolle glänzte der Dresdner Theaterschauspieler Tom Quaas, der Oppenheimer als kompromisslosen, unsympathischen Emporkömmling zeigt. Die Show stahl ihm nur der als „Landarzt“ bekannte Walter Plathe als Herzog: Im weißen Anzug, Zigarre paffend, geht der buchstäblich über Leichen, Hauptsache, es dient dem eigenen Amüsement.
Wedel weiß sein Publikum mit seinem aus Film und Fernsehen bekannten Ensemble vor allem zu unterhalten, erheiternde Dialoge fehlten in der fast dreistündigen Aufführung trotz des ernsten Themas nicht. Dazu zeichnet der Regisseur das Bild einer reformunwilligen Gesellschaft: Jeder schaut nur darauf, das Eigene möglichst zu verteidigen und zu vermehren, und sei es auf Kosten anderer. Damit präsentiert er tatsächlich eine zeitlose Geschichte. In Worms ist sie noch bis zum 19. August zu sehen.