„Nicht alles glauben“ - Kabarettist Kittner ist tot

Hannover (dpa) - Jahrzehntelang wetterte er gegen Machtanmaßung von Politik und Staat, soziale Missstände und Militarismus und war ein Urgestein des linken politischen Kabaretts: Der hannoversche Kabarettist Dietrich Kittner ist am Freitag im Alter von 77 Jahren in seiner Wahlheimat Österreich gestorben.

Das teilte sein Produzent in Hannover mit. Kittner stand 50 Jahre auf der Bühne und trat mehr als 30 Jahre lang in einem eigenen Theater in Hannover auf. Mit seinen Programmen und Tourneen erreichte Kittner vor allem in den 1960er und 70er-Jahren ein Millionenpublikum. Zielscheibe seiner Kritik waren dabei stets die Regierenden.

„Ich habe mich früher gerne als Denkspaßmacher bezeichnet, heute habe ich Angst, ich muss mich einen Propheten nennen“, sagte Kittner vor gut zwei Jahren der dpa. Als in seinen jungen Jahren gegen die Wiedereinführung einer deutschen Armee demonstriert wurde, habe er noch nicht so recht geglaubt, dass es wieder deutsche Kriege gebe. Nach der Wende habe er vor Rassismus und Sozialabbau gewarnt, beides habe sich bewahrheitet. „Einen solchen Sozialabbau, das haben wir damals nicht für möglich gehalten.“

„Ich kann die Leute nicht zu meiner Meinung bekehren“, sagte Kittner. „Ich bin nicht objektiv und sage stets in meinem Programm "Ich bin ja Linker"“. „Wichtig ist aber, wenn man die Leute dazu bringt, dass sie nicht alles glauben.“ Er habe einen Hass auf Unlogik und liebe es nicht, belogen zu werden, dann bohre er nach. Kabarett habe es schwerer als früher. „Der Ton ist härter geworden.“ Auf kritische Briefe an Politiker habe er anders als früher keine Antworten mehr bekommen. „Die Arroganz der Macht ist so gewachsen“, diagnostizierte er.

Bereits als Siebenjähriger gab Kittner auf einem Hinterhof in Schlesien Schlagerparodien zum Besten. Später hätte der Zahnarztsohn gerne Schauspiel studiert, entschied sich aber für Geschichte und Jura in Göttingen. Dort entdeckte er die Liebe zum Kabarett und gründete die Studentengruppe „Leid-Artikler“ und hing sein Studium an den Nagel. Langjährige Gastspiele folgten, bis er sich 1965 für eine Solokarriere entschied und 1975 mit seiner Frau Christel das „Theater an der Bult“ und später das „Theater am Küchengarten“ in Hannover eröffnete.

Immer wieder eckte Kittner an und wurde zeitweise das „größte Schandmaul der Nation“ geschimpft. Weil er gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten einen nach Meinung der SPD „kommunistisch gesteuerten“ Aufruf unterzeichnete, wurde er 1971 aus der Partei ausgeschlossen. Als einer von wenigen Westkünstlern absolvierte er auch mehrere große DDR-Touren. Bis 1990 war sein Theater das einzige Privattheater Niedersachsens, das vom Land - auf Weisung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht - nicht finanziell gefördert wurde.

Der Weg ins Fernsehen sei ihm stets versperrt worden, klagte Kittner noch kürzlich. Dem deutschen Fernsehen fehle der Mut zu politischem Kabarett, viele Kollegen und Intendanten seien weichgespült, Verantwortliche in den Sendeanstalten agierten wie Proporzbeamte, „da haben manche es nicht gerne, wenn Ross und Reiter genannt werden“, meinte Kittner.