Opern-Uraufführung begeistert in Erfurt

Erfurt (dpa) - Traum oder Wirklichkeit? Alois Bröder lässt in seiner Opern-Uraufführung „Die Frauen der Toten“ (The wives of the dead) diese Frage bis zum Ende offen - und fordert damit am Samstagabend Mitdenken und Fantasie der Premierengäste im Erfurter Opernhaus heraus.

Er reflektiert die kaum bekannte Story von Nathaniel Hawthorne (1804-1864) in zwei Versionen: als „träumerische Realität“ und „realistischen Traum“ - Sigmund Freud mit seinen Traumdeutungen und seiner Tiefenpsychologie scheint nicht fern.

Die Zuschauer im nicht ausverkauften Theater lassen sich auf das Spiel ein und danken dem Komponisten, dem Team um Gastregisseurin Gabriele Rech, Solisten, Chorsängern und Musikern mit langem Beifall.

Es ist eine zumeist düstere und beklemmende Welt, in die Bröder (Jahrgang 1961) in seinem Opern-Erstling entführt. Das Bühnenbild von Norman Heinrich - ein spartanisch möbliertes Puppenhaus im Großformat - unterstreicht den miefigen Eindruck noch. Das Stück spielt in einem puritanischen Milieu im 19. Jahrhundert. Zwei Frauen erfahren kurz nach der Trauerzeremonie durch zwei Boten, ihre Männer - zwei Brüder - seien noch am Leben. Doch keine der Frauen traut sich, der anderen das eigene Glück mitzuteilen.

Ihn habe an dem Stoff gereizt, dass Hawthorne so vieles offen gelassen hat - bis zum Ehebruch über kreuz, bekennt Bröder. Er erzählt die Geschichte in zwei Versionen. Einmal streng nach dem literarischen Original mit all den Bibelzitaten. In Version zwei spinnt Bröder den vorgegebenen Faden weiter. Die charakteristischen Musikmotive für beide Frauen vermischen und überlagern sich fast bis zur Unkenntlichkeit - auch elektronische Musik kommt dezent zum Einsatz.

Die Frauen offenbaren jetzt ihre Sehnsüchte, Ängste und Hoffnungen - und sie tauschen die Schlafzimmer. Die Brüder rufen überkreuz nach den Frauen. Sichtbar wird dieses „Durcheinander“ für die Zuschauer auch durch den Wechsel von Englisch zu Deutsch und den Wechsel der Chorsänger: die Männer müssen den Frauen weichen.

Regisseurin Gabriele Rech hat mit sicherer Hand die handlungsarme Geschichte detailreich und spannend ausfüllt. Jede Geste hat ihre Bedeutung. Überzeugend gesanglich und schauspierisch umgesetzt von den Solisten - vor allem Marisca Mulder als Mary und Mireille Lebel als Margaret. Das Stück von Hawthorne, einem der Begründer der amerikanischen Nationalliteratur, offenbare immer neue Sichtweisen, bekannte Rech. „Das ist das zutiefst Moderne an Hawthorne.“