Premiere: Tartuffe, der schmierige Jammerlappen
In Frankfurt inszeniert der designierte Düsseldorfer Intendant Staffan Holm Molière.
Frankfurt. Tartuffe weint. Er jammert, kriecht und buckelt. Dieser Tartuffe ist kein bigotter Lebemann, sondern ein heuchlerischer Jammerlappen, der mit der Mitleidsmasche Orgons Gattin und Geld erobern will. Staffan Valdemar Holm hat Molières Komödie am Frankfurter Schauspiel inszeniert - die zweite Regiearbeit des Schweden in Deutschland. Ab Sommer 2011 wird er das Düsseldorfer Schauspielhaus als Intendant übernehmen.
Holms stellt seine Regiearbeit in den Dienst des Stückes, versucht nicht, allzu gewollte Bezüge zur Finanzkrise und zum Bankenstandort Frankfurt herzustellen.
Der Schwede ist ein guter Handwerker, der Texte genau liest und offensichtlich sehr präzise mit Schauspielern arbeitet. Beim Frankfurter Ensemble sitzt jedes Zucken, jeder Augenaufschlag. Das macht diesen "Tartuffe" sehr körperlich, denn viele Emotionen werden über Bewegungen transportiert.
Nur Anfang und Ende der Komödie spielen in einem schicken Salon, der ganze Mittelteil dagegen vor einem weiß geschwungenen Vorhang an der Rampe. Das unterstreicht die direkte Wirkung der Inszenierung, deren handfester Humor sich sofort auf das Publikum überträgt. Wenn sich der schmierige Tartuffe (Wolfgang Michael) geil grimassierend auf die Hausdame (Franziska Junge) stürzt, Tochter Mariane (Henriette Blumenau) sich angesichts der Tatsache, dass sie Tartuffe heiraten soll, in Schmerzen windet, ihr Liebhaber (Christoph Pütthoff) verzweifelt herum stampft, verkommt Molière nie zur billigen Klamotte, sondern offenbart immer auch die tiefe Verzweiflung der Figuren.
Der starke Applaus für Michael Abendroths Orgon beweist, dass der beliebte Düsseldorfer Schauspieler schon sein Publikum in Frankfurt gefunden hat.
Obwohl Holm lieber Tragödien inszeniert, hat er sich auf Molière eingelassen. Eine Komödie zu inszenieren, sei wie Musik: "Man muss sie ganz exakt spielen." Komödien seien brutaler als Tragödien, kälter, deshalb inszeniere er eigentlich lieber Tragödien. "Ich bin ein weicher Mann", erklärt er schmunzelnd im Interview vor der Premiere.
Seine Neugierde habe ihn nach Deutschland getrieben. Schließlich sei das deutsche Theatersystem immer noch vorbildlich und Deutschland das einzige Land, "in dem das Theater immer noch das Herz einer Stadt repräsentiert". Er plant, das Düsseldorfer Schauspielhaus international zu vernetzen: Holland, Belgien, Frankreich seien ganz nah. Internationale Regisseure will er ans Haus am Gustaf-Gründgens-Platz holen, das er für seine ungewöhnliche Architektur schätzt.
"Ein Juwel", schwärmt der 52-Jährige Schwede, "wunderschön". Bald schon zieht er nach Düsseldorf und will "die einzelnen Stadtteile durchstreifen", sagt Holm in flüssigem Deutsch. Denn ein Stadttheater muss im Lokalen verankert sein, auch wenn es sich global ausrichtet.