Ruhrtriennale zeigt Kunst neben Kebap

Bochum (dpa) - Eine Schwimmweste braucht man, um im künstlerischen Niemandsland des früheren Eisenbahnhafens in Duisburg Ruhrort zu landen.

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In dem Wasserbassin schwimmt während der Ruhrtriennale ein mit Silberfolie überzogener „Flüsterdom“. Zwei Stege verbinden die fünf Meter hohe Kuppel mit dem Land. „Nomanslanding“ heißt das begehbare Kunstwerk, das ein fünfköpfiges internationales Künstlerteam entwickelt hat. Die Installation spielt auf das Niemandsland an Grenzübergängen an. Sie hat schon in Sydney Tausende Besucher in ihren Bann gezogen und reist später nach Glasgow weiter.

Nun liegt die von einem Käfig eingefasste silberne Halbkugel in einem Seitenarm des Rheins, an einem Ort der Gegensätze. Auf der einen Seite erhebt sich ein von Feuer verkohltes Wohngebäude, auf der anderen Seite schweift der Blick über das Wasser auf die grüne Landschaft des Niederrheins.

„Nomanslanding“ ist wie andere Orte der ersten Ruhrtriennale unter dem neuen Intendanten Johan Simons nicht ganz einfach zu finden. Getreu dem Spielzeit-Motto „Seid umschlungen“ kommt die Kunst in Arbeitervierteln zu Menschen, die sonst häufig mehr Abstand zu künstlerischen Dingen haben.

Die Schwimmweste braucht man übrigens aus Sicherheitsgründen, wenn man über den etwas wackeligen 35 Meter langen Steg in das Innere des sogenannten Flüsterdoms gelangen will. Die Installation thematisiert in Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 Konflikte und Kriege der Welt.

Der Rotterdamer Künstler Andre Dekker von der Künstlergruppe „Observatorium“ sagt: „Krieg ist eigentlich immer da. Aber wie findet man zueinander und stellt den Kontakt her?“ In zwei Gruppen gehen je 20 Menschen über die zwei Stege in die geöffneten Hälften des Doms, bis sie an einer imaginären Front aufeinandertreffen. Dann schließt sich die Halbkugel langsam, und sie werden im Dunkeln umfangen von Geräuschen des Krieges, des Abschieds und der Trauer.

Eine Sängerin stimmt ein Klagelied an, bevor auf die Besucher nach Worten Dekkers „eine Art Erlösung„ wartet und sie „das Totenreich“ zur jeweils anderen Seite wieder verlassen. „In Sydney haben viele Menschen eine Gänsehaut bekommen“, sagt Dekker.

Das Herz der Ruhrtriennale ist ein Kunstdorf des niederländischen Atelier Van Lieshout an der Jahrhunderthalle. „The Good, the Bad and the Ugly“ ist ein Ort, das das Überleben in Kriegszeiten symbolisiert. Es gibt bunkerähnliche Behausungen, eine Waffenwerkstatt und Kanonen. In rostige Silobehälter wurden funktionstüchtige Toiletten und Duschen eingebaut. Im Zentrum des Dorfes steht eine große rote Scheune, „Refektorium“ genannt, die auch für Lesungen, Filmabende und Partys genutzt wird. Auch hier gilt, dass die Kunst keine Distanz schaffen soll. „Die Menschen sollen die Kunst vereinnahmen“, sagt Kuratorin Dorothea Neweling.

Tief in die Fußgängerzone von Bochum und die Arbeiterviertel von Ruhrort und Dinslaken führt das Projekt, 13 Nachwuchskünstlern die Schaufenster leerstehender Länden anzuvertrauen. Im zweiten Stock des Bochumer Einkaufszentrums „City Point“ etwa hat die Bremer Künstlerin Zahava Rodrigo zwischen H & M und einem Friseur eine verwirrende Installation geschaffen. Sie fotografierte das leere Ladenlokal mit der abgerissenen Decke, druckte großformatige Abzüge klebte diese als Sichtschutz hinter die Schaufensterfront.

Ob Kunstinteressierte sich allerdings die Mühe machen, mit den Rolltreppen im City Point in den zweiten Stock zu fahren oder Schaufenster zwischen Kebab- und Ein-Euro-Läden abzuklappern, bleibt abzuwarten. Wer jedoch den Parcours abfährt, wird nicht nur mit Kunst, sondern auch mit unvergesslichen Eindrücken aus dem Alltag im heutigen Ruhrgebiet belohnt.