Schorch Kamerun: Vom Punkmusiker zum Theaterregisseur

Düsseldorf. Schorsch Kamerun inszeniert am Kölner Schauspiel ein Kinderstück. Im Gespräch mit der WZ redet der Sänger der Goldenen Zitronen unter anderem über Narzissmus und seinen Weg zum Theaterregisseur.

Herr Kamerun, Sie haben in Köln mit dem Kinderstück "Des Kaisers neue Kleider" ein Märchenspektakel angekündigt. Was erwartet die Zuschauer?

Kamerun: Das ist auch so ein Versprechen - wie im Stück. Es kommt jemand in die Stadt und sagt, ich kann hier eine große Veränderung schaffen, die allergrößte. Und dann gibt es jemanden, der hat schon alles erlebt, der kann sich alles leisten. Der Kaiser wartet auf den neuen Stoff, den man ihm in die Stadt bringt. Das geht nur mit Getöse und Spektakel. Sonst würden wir das ja gar nicht mehr sehen - und damit sind wir beim Heute. Um heute noch eine Auffälligkeit hinzubekommen, tja das geht fast gar nicht. Alles ist schon so grell. Nichts ist greller als "Schlag den Raab", als das Privatfernsehen, als der Mainstream.

Spektakel und Getöse wird es auch auf der Bühne geben - mit Musik von Schorsch Kamerun?

Kamerun: Ja klar, komplett. Das ist ja das, was ich eigentlich am besten kann. Da haben wir am meisten Kraft reingelegt. Und ich denke, das ist auch für Kinder richtig cool.

Was interessiert Sie an dem Versprechen?

Kamerun: Ich glaube, dass wir alle auf diese Versprechen reduziert werden. Wenn ich jetzt hier ein Interview gebe, dann muss ich möglichst versuchen, etwas Interessantes von mir zu erzählen. Nicht etwa, ob ich handwerklich ein guter Regisseur bin. Ich habe da so ein Zitat: Es reicht nicht ein guter Schuster zu sein, du musst auch ein cooler Schuster sein. Alle müssen irgendwie auftreten, um dabei zu sein. Stichwort: Facebook.

Sie inszenieren mittlerweile an den großen Häusern von Hamburg über Köln und München bis Zürich. Muss man da nicht ein Eigendarsteller sein?

Kamerun: Die meisten Kollegen haben in ihrer Persönlichkeit sicher einen Schuss Narzissmus. Und das ist eine Störung: Man will bemerkt werden. Ich drehe das jetzt mal positiv: Ich finde es gut, dass ich mir Gehör verschaffen und mich einmischen kann. Ich habe etwas zu sagen. Es geht mir nicht um die großen Institutionen.

Von Auftritten mit der Punkband Die Goldenen Zitronen bis zur Regie bei der Ruhrtriennale ist es ein ziemlicher Weg.

Kamerun: Los ging es ja damit, dass mir mein kleines Kaff zu autoritär war. Dann habe ich gesagt: Ich spiele in einer Punkband und kann über Texte, über Kunst etwas machen. Zum Beispiel: Euer blödes CDU-Kaff lässt uns nicht im Café sein, weil wir schrottige Klamotten tragen. Damals konnte man noch über Äußerlichkeiten, über Look was erreichen. Ich beschäftige mich eben mit Themen, und dabei kommt immer etwas anderes raus.

Hat es mit dem Alter zu tun, dass Sie heute an Orten arbeiten, die Ihnen früher suspekt waren?

Kamerun: Nee, ich glaube nicht. Das einzige ist vielleicht, dass ich als 15-jähriger Punker Theater überhaupt nicht verstanden habe. Das fand ich scheiße, das war Bürgertum, fertig. Da hat sich aber nicht nur in mir etwas gedreht, sondern auch an dem, was es ist. Theater sind geschützte Freiräume. Luxuriös geschützt, keine Frage. Das finde ich aber richtig. Ich muss mir überlegen, für wen mache ich etwas und für wen nicht. Der "Bild"-Zeitung habe ich zum Beispiel noch nie ein Interview gegeben. Das soll auch so bleiben.

Provokation als Prinzip auf der Bühne gibt es für Sie nicht. Also auch keinen nackten Kaiser?

Kamerun: Natürlich nicht. Nackte, Beschmierte und Schreiende funktionieren auf der Bühne auch für Erwachsene nicht. Da haben wir alle schon Härteres gesehen. Auch im Mainstream. Was ist härter als diese Dschungel-Shows? Geht doch gar nicht.

Sind Sie als Kind ins Theater gegangen?

Kamerun: Nein, weil ich nicht aus so einem Haus komme. Vielleicht gerade mal ein Kasperle-Stück auf der Freilichtbühne am Strand. Ich bin Autodidakt auf allen Ebenen.