Sommerfestival auf Kampnagel in Hamburg gestartet

Hamburg (dpa) - Es beginnt in nahezu völliger Dunkelheit: Schemenhaft sind vier längliche, durchsichtige Kästen auf der Bühne zu erkennen, die mit überkreuzten Stahlseilen an der Decke befestigt sind.

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Neben einem Kasten steht eine Tänzerin im spärlichen Scheinwerferlicht und blickt fragend ins Publikum.

Dröhnende Elektromusik erklingt, die sich zu Beginn wie Flugzeuglärm anhört. Plötzlich rennt wie aus dem Nichts eine Tänzerin im Kreis über die Bühne, es folgt ein zweiter Tänzer aus der anderen Richtung, eine dritte - leicht bekleidet in Hose und T-Shirt. Die Musik schwillt an, wird immer bedrohlicher, es wird heller und immer mehr Tänzer rennen über die Bühne, manchmal scheint es, als ob sie sich gegenseitig jagen.

Mit der mit viel Beifall bedachten Uraufführung von „Auguri“ hat der französische Choreograf Olivier Dubois am Mittwochabend das Internationale Sommerfestival in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel eröffnet. Dabei überträgt er das Prinzip der Ornithomantie, das Wahrsagen durch die Beobachtung von Vögeln, das in der Antike weit verbreitet war, auf den Tanz.

Die dabei entstehenden choreografischen Bilder sollen etwas über das Schicksal der Menschen aussagen. „Wir wollen in die Zukunft sehen, aber es gibt keine Antwort oder bestenfalls entdeckt jeder für sich eine andere“, sagte Dubois, der bereits 2013 mit seiner nackten Marsch-Choreografie „Tragédie“ für Aufsehen beim Festival sorgte.

Noch bis zum 28. August präsentieren Avantgarde-Künstler aus aller Welt das Neueste aus den Bereichen Theater, Tanz, Musik, Film, Performance und Bildende Kunst. „Wir wollen Künstler verschiedener Sparten miteinander vernetzen, die sich an unserer gesellschaftlichen Gegenwart abarbeiten und daraus Zukunftsvisionen in neuen künstlerischen Formaten entwickeln“, sagte Festivalleiter András Siebold. Natürlich würden dabei auch radikalere Positionen gezeigt wie etwa ein Musical über Pornografie des Hamburger Komponisten Thies Mynther und des israelischen Regisseurs Jason Danino Holt. „Es geht darum, die Leute herauszufordern“, sagte Siebold.

Spektakuläre Aktionen verspricht auch „The Greatest Show on Earth“: Die Dramaturgen Anna Wagner und Eike Wittrock haben internationale Performance-Künstler von Antonia Baehr bis Meg Stuart eingeladen, ein 20-minütiges Programm in einer von Theatermacher Philippe Quesne entworfenen Manege zu präsentieren. „Der Zirkus ist für uns die radikalste Form des Theaters, da er kitschig, laut, obszön, magisch, wild unterhaltsam und nervenkitzelnd gleichzeitig ist“, sagte Wittrock. Mit dabei sind entblößte Trapezkünstler, ein als Priester verkleideter Jack Russell Terrier, eine Disney-Prinzessin aus Manila und eine Gruppe von Japanern, die sich gegenseitig verprügelt. Nach Hamburg ist die Zirkus-Show noch in Frankfurt (1.-10.9. Mousonturm) und Berlin (21.-23.9. Sophiensaele) zu sehen.

Eine Pop-Oper hat der japanische Komponist Keiichiro Shibuya der animierten Manga-Figur Hatsune Miku gewidmet: Das Mädchen mit den blauen Haaren ist der größte Popstar der digitalen Welt. Zu den musikalischen Höhepunkten gehören außerdem ein neues Projekt von Selig-Frontmann Jan Plewka und Tom Stromberg mit Liebesliedern, der Abschlussabend mit den Techno-Erfindern von Fraktus und Doppelkonzerte von Musikern aus verschiedenen Ländern Afrikas mit musikalischen Counterparts aus Deutschland. Im Festivalgarten lockt das Soli-Casino zum Spielen am Roulettetisch - die Erlöse kommen verschiedenen Flüchtlingsinitiativen zu Gute.