Harry-Potter-Theater und Skriptbuch begeistern Fans
London (dpa) - „Liebe Fahrgäste, bitte schalten Sie nun Ihre Handys aus, wir werden gleich losfahren“, lautet die Durchsage vor Showbeginn des ersten Teils von „Harry Potter and the Cursed Child“ (Harry Potter und das verwunschene Kind).
Und schwupps sind die Zuschauer an Bahngleis neundreiviertel.
Dort fährt der Zug zur Zauberschule Hogwarts ab. Nicht nur, aber vor allem Mittzwanziger füllen bei den Voraufführungen den Saal - die sogenannte Potter-Generation. Einige tragen Hogwarts-Umhänge, andere Gryffindor-Schals oder Zeitumkehrer-Ketten. Es sind Fans in ihrem Element, bereit, insgesamt knapp fünf Stunden lang im Palace Theatre in London bezaubert zu werden. Zur Premiere am Samstag waren dort vor allem Freunde und Familien der Protagonisten geladen.
Auch Potter-Autorin Joanne K. Rowling ist am Samstag auf dem roten Teppich dabei. Hocherfreut sei sie über die Fans, ließ Rowling wissen, die trotz zahlreicher Previews nur wenig über den Inhalt nach außen dringen ließen. „Das ist die außergewöhnlichste Art des Fanseins.“ Alle Potter-Fans, die keine Gelegenheit haben, das Stück in London zu sehen, müssen sich erstmal mit dem Skriptbuch zufrieden geben: Die englischsprachige Version wurde in der Nacht von Samstag auf Sonntag veröffentlicht.
Die Handlung des Stücks setzt dort ein, wo der siebte und letzte Teil der Harry-Potter-Romane endet. Harry Potters beste Freunde, Hermine und Ron, sind inzwischen miteinander verheiratet. Die strebsame Hermine hat es bis zur Magie-Ministerin geschafft. Harry (Jamie Parker) ist ein überarbeiteter Beamter am Ministerium für Zauberei, verheiratet mit Rons Schwester Ginny (Poppy Miller).
Zum gemeinsamen Sohn Albus Severus (Sam Clemmett) hat Harry eine schwierige Beziehung. Albus leidet unter dem hohen Erwartungsdruck, den der Ruhm seines Vaters mit sich bringt. Sehr zum Missfallen seines Vaters freundet er sich mit Scorpius Malfoy (Anthony Boyle) an, dem Sohn von Harrys früherem Widersacher Draco.
Um sich zu beweisen, will Albus mithilfe einer Zeitreise einen vermeintlichen Fehler seines Vaters korrigieren. Dabei richten er und Scorpius aber mehr Schaden an als sie gutmachen. So fängt Harrys geheimnisvolle Narbe nach 19 Jahren wieder an zu schmerzen, es plagen ihn Alpträume vom Erzbösewicht Lord Voldemort. Was folgt, ist ein turbulentes Wettrennen durch die Zeit. Vor und zurück, mit verschiedenen Szenarien, je nachdem wie Vergangenheit verändert wird.
Die Inszenierung knüpft an die aufwendigen Spezialeffekte der Filme an. „Es übertrifft alle meine Erwartungen, es ist einfach unglaublich“, hatte Zuschauerin Maddie Purver bei einer der Voraufführungen gesagt. „Das muss Magie sein!“ Nicht nur sie fragt sich: Wie haben die das gemacht? Mal eben so verschwinden mehrere Menschen auf der Bühne in Telefonzellen, Besen fliegen durch die Luft, es gibt Slow-Motion-Zauberduelle à la Matrix und Seelen saugende Dementoren kommen dem Publikum schaurig nahe.
Effekte, auf die Leser des Skriptbuchs verzichten müssen - und tatsächlich fällt das Lesen schwerer als bei den Romanen. Echte Potter-Fans werden sich davon aber kaum abhalten lassen. Hunderte Buchläden hatten in Großbritannien über Nacht geöffnet und waren gut besucht, beim Internethändler Amazon steht das Buch in mehreren Ländern bereits auf Platz eins der Bestsellerliste. Deutschsprachige Potter-Fans müssen noch bis zum 24. September auf eine übersetzte Version warten.
Das Fazit: Die Magie von Harry Potter funktioniert anscheinend nicht nur im Roman und auf der Leinwand, sondern auch hervorragend auf der Bühne und sogar im Skript.