Theater in Essen: Blutdusche für verwöhnte Töchter
In Essen zeigt Franz Grillparzers „Das goldene Vliess“
Essen. Das Theater macht sich klein. In Essen spielt man Franz Grillparzers selten aufgeführte Jason-Medea-Trilogie "Das goldene Vliess" und verpflanzt sie auf die Hinterbühne des Grillotheaters. Die Tragödie wird zum Kammerspiel. Und das zunächst mit beeindruckendem Ergebnis.
Wie Flüchtlinge hocken Medea (Barbara Hirt) und ihre Amme Gora (Jutta Wachowiak) vor dem eisernen Vorhang. Koffer, Taschen und ein Kleidertausch erzählen vom Flüchtlingsschicksal der "barbarischen" Kolcher, die nach Griechenland wollen.
Ungleich schwerer hat es Medeas Mann Jason (beeindruckend: Guntram Brattia), der als ausgestoßener Kriegsveteran in olivgrünem Parka und Soldatenstiefeln im eigenen Land Asyl sucht. Mit eindrücklichen Bildern rückt Regisseur Roger Vontobel den Wartezustand von Flüchtlingen zwischen Hoffen und Bangen ins Bild.
Zwar stützt sich Vontobel vor allem auf den dritten Teil von Grillparzers 1821 uraufgeführter Dramentrilogie, der die Abwendung Jasons von Medea, seine Liebe zu Kreons Tochter Kreusa und den Mord der Ehefrau an der Nebenbuhlerin sowie den eigenen Kindern zeigt. Er hat jedoch auch eine Rückblende auf die erklärende Vorgeschichte eingebaut. Da sieht man Jason als Rambo im "Democracy we deliver"-T-Shirt den Staat Kolchis überfallen, man sieht König Aietes (Günter Franzmeier, der auch den Kreon spielt) militärisch-strategisch taktieren und seine Tochter Medea als Terroristin mit Maschinengewehr herumwerkeln. So aktuell das sein mag, so bewegend die schwebende Liebesszene zwischen Medea und Jason daherkommt, was an der Kolchis "barbarisch" ist, bleibt unklar.
Dann blendet die Inszenierung nach Korinth, wo König Kreon und Jason um eine Aufenthaltsgenehmigung feilschen. Medea versucht derweil von Kreusa (Anja Boche als verwöhntes jeunesse dorée-Girl) griechische Lebensart zu lernen. Es hilft nichts, die "Barbarin" darf nicht einreisen, muss sich in einer eindringlichen Szene sogar von ihren Kindern trennen.
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