Intendant Theaterpapst Peymann geht mit „Prinz von Homburg“
Berlin (dpa) - Eine Ära geht zu Ende. 50 Jahre lang hat Claus Peymann die deutsche Theaterszene geprägt - mit mutigen, innovativen und oft genug umstrittenen Stücken. Jetzt verabschiedete sich der Bühnenpapst mit einem Kniefall von „seinem“ Berliner Ensemble.
Als seine letzte Inszenierung an der einstigen Bühne von Bertolt Brecht stellte der 79-Jährige am Freitag Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ vor. Beim Schlussapplaus fällt er vor den Schauspielern auf die Knie, schlägt die Hände vors Gesicht und verschwindet hinter dem Vorhang.
Nach 17 Jahren als Intendant des renommierten Hauses gibt Peymann das Amt zur nächsten Saison widerwillig an einen Jüngeren ab. Als Nachfolger kommt Oliver Reese vom Schauspiel Frankfurt, Jahrgang 1964. Er wird kaum einen der alten Schauspieler übernehmen.
Zum Abschied bringt der sonst so streitlustige Peymann den „Prinzen“ als recht traditionelle Inszenierung auf die Bühne. „Keine NS-Mäntel, keine Mätzchen. Man glaubt endlich mal wieder dem Wort“ - so bringt es Berlins graue Kultureminenz, Rechtsanwalt Peter Raue, auf den Punkt.
Dafür kann eine ganze Garde vertrauter Schauspielstars glänzen - allen voran Carmen-Maja Antoni als Obrist Kottwitz, Roman Kaminski als Kurfürst von Brandenburg und Veit Schubert als Feldmarschall Dörfling. Nur ausgerechnet zwischen Homburg-Darsteller Sabin Tambrea und seiner geliebten Prinzessin Natalie (Antonia Bill) scheint es nicht immer zu zünden.
Seltsam unpolitisch legt Peymann seinen „Prinzen“ nicht als Freiheitskämpfer und Aufständler gegen die Enge des monarchischen Systems an, sondern buchstäblich als Traumtänzer. Zum Auftakt schwebt er auf einem sphärisch leuchtenden Hochseil über die Bühne und träumt vom Siegerkranz, später tappt er eher zufällig und liebesverwirrt in seinen großen Akt des Ungehorsams, ehe er sich schließlich doch pflichtbewusst dem Todesurteil ergibt.
Heinrich von Kleist (1777-1811) schrieb das Meisterwerk vier Monate vor seinem Freitod am Ufer des Wannsees. Und in der Inszenierung kommt viel von der düsteren und zugleich poetisch verklärenden Todessehnsucht des Autors herüber.
Zu danken ist das besonders dem eindrücklichen Bühnenbild des Peymann-Gefährten Achim Freyer (82). Ein dunkelgrauer, schräg ansteigender Raum ist Garten, Schlachtfeld und Kerker in einem, auf dem die schwarzen Figuren wie auf einem Schachbrett agieren.
„Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war“, schrieb der 34-jährige Kleist kurz vor seinem Tod. Und so geht denn auch Peymanns Prinz wie im Traum aus dieser Welt. Am Schluss schwebt er auf seinem Hochseil wie ein Gekreuzigter über dem Publikum, während die Generalität unten zu Cat Stevens Freiheitshymne tanzt: „If you want to be free, be free.“ Ein bisschen sehr pathetisch, aber vielleicht darf man das nach 50 solchen Theaterjahren.