Theaterpremiere: Homosexualität im Fußball
Göttingen (dpa) - Die Anspannung ist schon vor dem Spiel riesig. Schulter an Schulter sitzen die Spieler in der kleinen Umkleidekabine und lauschen den Worten ihres Trainers: „Wir haben lange auf diesen Moment hingearbeitet, Männer!
Ich will euch kämpfen sehen auf dem Fußballplatz!“
In wenigen Minuten beginnt das Derby. Im Hintergrund läuft Musik zur Motivation. „Da brauche ich echte Kerle auf dem Platz!“, poltert der Coach. Dann ist die Szene vorbei.
Es ist eine Situation, wie sie so ähnlich Woche für Woche in den Umkleidekabinen deutscher Fußballvereine stattfindet. Im Göttinger Jahnstadion wurde die Szene am Mittwochabend in einem Theaterstück nachgestellt. Den Trainer spielt Schauspieler Matthias Damberg. Rund 30 Zuschauer in der dicht besetzten Umkleide folgen seinen Worten, als wären sie seine Spieler. Es ist die Premiere des Ein-Personen-Stücks „Steh deinen Mann“, mit dem die Theatergruppe „boat people projekt“ zeigen will, dass Homosexualität im Fußball für viele immer noch ein Tabuthema ist.
„Wir wollen die Leute für dieses Thema sensibilisieren. Viele sehen Fußball als Sport für "echte Männer", wissen aber gar nicht, warum“, betont Regisseur Reimar de la Chevallerie. In der mit Kunstrasen ausgelegten Kabine beginnt Damberg jedoch nicht als Trainer, sondern spielt die meiste Zeit den fiktiven Dorf-Fußballer Matthias, der auf der Suche nach schwulen Mitspielern in seiner Mannschaft ist. „Zehn Prozent aller fünf Millionen Fußballer des DFB sollen schwul sein. Im Schnitt wäre das ungefähr ein Spieler pro Team. Das kann Matthias sich einfach nicht vorstellen“, erklärt Damberg.
Matthias versucht sich zu erinnern, ob sich seine Mannschaftskameraden in letzter Zeit anders verhalten haben. Dabei führt er auch ein Gespräch mit einem fiktiven „König des Fußballs“, der von Homosexualität in seinem Sport aber nichts wissen will. Außerdem zeigt Damberg dem Publikum zwei Videos, in denen er Fans fragt, ob sie glauben, homosexuelle Fußballer erkennen zu können, und falls ja woran. „Viele Antworten sind erschreckend und verächtlich. Aber auch das sollen die Zuschauer sehen, es ist leider die Realität“, sagt er.
Die Künstler wollen mit dem Stück auch eine Debatte über Homophobie im Sport anstoßen. Das Coming-Out von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger habe in der Gesellschaft nicht dazu geführt, das Thema offensiver zu diskutieren. „Wir dachten, dass jetzt mal über Homosexualität im Fußball geredet wird. Aber nach einer Woche hat das Thema ja schon keinen mehr interessiert“, kommentiert de la Chevallerie.
Die Resonanz im Publikum ist durchweg positiv. Nach der Aufführung zeigen sich viele Zuschauer von der Authentizität des Stücks begeistert. „Ich bin selbst Amateurfußballer. Ich habe solche Szenen genauso oft erlebt“, sagt ein Besucher.
Dennoch gestaltet sich die Suche nach weiteren Aufführungsorten für die Gruppe als schwierig. Bisher wolle kein Verein mit den Künstlern kooperieren, im Jahnstadion darf das Stück nur dank der Genehmigung der Göttinger Stadtverwaltung aufgeführt werden. In ländlichen Regionen habe man etwa zu hören bekommen, „das Problem Schwulsein“ gebe es dort nicht, sondern nur in der Stadt, schildert de la Chevallerie. „Wenn es uns auch künftig nicht gelingt, in die Vereine zu kommen, wäre das Projekt gescheitert“, erklärt er.