Traumwandler im Krieg: „Prinz von Homburg“ in Salzburg
Salzburg (dpa) - Baumgerippe ragen in den Himmel, Nebelschwaden wabern über die triste Landschaft - es ist eine zerstörte Welt, in die Andrea Breth in ihrer Inszenierung von Kleists Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ führt.
Aus dieser Atmosphäre des Todes kann es kein Entkommen geben. Bei Breth geht der Konflikt zwischen Disziplin und Emotion tödlich aus. Das hochkarätige Ensemble mit August Diehl als Prinz und Peter Simonischek als Kurfürst an der Spitze wurde vom Premierenpublikum im Salzburger Landestheater mit großem Applaus gefeiert.
Breth hat gemeinsam mit Dramaturg Wolfgang Wiens, der während der Vorbereitungszeit starb, den Text auf zweieinhalb Stunden eingedampft und beherzte Striche vor allem dort gesetzt, wo es um Nationalismen und Historisches geht. Sie zeichnet eine Gesellschaft im Kriegszustand - hoch nervös, in großer Selbstdisziplin, misstrauisch und schreckhaft. Unterschwellige, stets spürbare Unruhe und lange Phasen des Wartens verstärken die gespannte Atmosphäre.
Schwarz und weiß dominieren die Bühne von Martin Zehetgruber, der Welt ist die Farbe abhandengekommen: Die Natur ist düster und zerstört, die Innenräume dagegen gleißend hell, geradlinig und abgezirkelt. In dieser beherrschten Welt ist der traumwandelnde Prinz ein Fremdkörper.
August Diehl, der in dieser Rolle sein Debüt bei den Salzburger Festspielen gibt, zeichnet seinen Friedrich als unberechenbaren bis unzurechnungsfähigen nervenschwachen jungen Mann, der von manchen am Hof wie der gestrengen Gräfin Bock (Elisabeth Orth) wohl als Emporkömmling wahrgenommen wird.
Als ihn sein Onkel, der souverän kühle Kurfürst Friedrich Wilhelm (Peter Simonischek), im nächtlichen Schlafwandel der schönen Prinzessin Natalie (Pauline Knof) begegnen lässt, ist er komplett von Sinnen. Der Eindruck ist so nachhaltig, dass er am nächsten Tag noch völlig neben sich ist: als der Kurfürst die Befehle für die Schlacht gibt, verpasst er alles, weil Natalie daneben auftaucht.
Zu sich findet er scheinbar, als es zur Schlacht geht. Da wird er so hyperaktiv, dass er trotz der Warnungen seiner Generäle voranstürmen will und einen Offizier, der sich widersetzt, ins Gesicht beißt. Zwar führt sein intuitives Eingreifen zum Sieg, doch sieht der Kurfürst das Prinzip der militärischen Disziplin gefährdet.
Auf den Machtkampf zwischen dem kühl kalkulierenden Kurfürsten und dem jungen Heißsporn konzentriert sich die Inszenierung in der Folge. Angst und Verzweiflung werden zum Teil überdeutlich ausgespielt, während andererseits leise Andeutungen die unterschwelligen Machtverhältnisse ans Licht bringen.
So verfällt der junge Prinz angesichts des offenen Grabes in eine Nervenkrise, die ihn sogar die Liebe zu Natalie opfern lässt, einfach nur, um zu leben. Der überlegene Kurfürst, der Disziplin und Sittlichkeit beschwört, rückt später der schönen jungen Nichte so dicht auf den Leib, dass seine scheinbar väterliche Fürsorge ganz andere Ambitionen durchblicken lässt.
Wenn der junge Prinz am Ende Opfer seiner eigenen schwachen Nerven wird, ist das nur konsequent: Er nimmt nicht wahr, dass er begnadigt ist, und stirbt vor Schreck, wo er bei Kleist nur in Ohnmacht fällt. Breths Neudeutung sorgte im voll besetzten Landestheater zwar mitunter für Verwirrung. Am Ende des zweieinhalbstündigen Theaterabends zeigte sich das Premierenpublikum jedoch angetan und spendete anhaltenden, kräftigen Applaus.