Warum wir Musik zum Leben brauchen

Auch wenn wir nicht wissen, warum, weckt sie doch wundersame Emotionen.

Düsseldorf. Warum singen wir - und das besonders gerne und innig an Hoch-Festen wie Weihnachten, Trauungen oder selbst an Trauerfeiern? Warum können uns manche Melodien, vielleicht in Verbindung mit besonders empfindsamen, schlichten Texten, mitunter zu Tränen rühren?

Natürlich ist das alles eng verknüpft mit unserer Tradition, unseren Wurzeln im sogenannten christlichen Abendland. Lateinische Stundengebete gehörten zur ebenfalls lateinischen Liturgie der Klöster. Das älteste Weihnachtslied, "Joseph, lieber Joseph mein" ist dem Mönch von Salzburg zugeschrieben und soll 1305 entstanden sein.

Aber zurück. Wie könnten uns unter dem Weihnachtsbaum, zur Ehre Gottes oder eines Verstorbenen ja auch auf Gebete beschränken. Aber jeder spürt: ganz unmöglich. Es würde genau das fehlen, was eben das Wesen der Musik ist: etwas auszudrücken, was Worte niemals zu sagen vermöchten.

Denn die Wurzel der Musik ist pure Mystik, ist Religiosität und Frömmigkeit in einer Reinheit und Vollendung, wie sie Worte nie zustande brächten - ein Dilemma, das schon der Dichter Jean Paul in seinem "Hesperus" schilderte.

Und betrachtet man sich die Instrumente, dann fällt auf, dass das bewundernswerteste die menschliche Stimme selbst ist. Ihr sind Musikpsychologen seit langem auf der Spur. Denn zwar können wir unsere Empfindungen beim Hören umschreiben und das meist nur blumig, aber die Gründe wissen wir nie.

Es bleibt der Musik vorbehalten, zwischen Erde und Himmel, Gott und den Menschen zu vermitteln, sie bringt nicht Botschaften, sondern ist die Botschaft selber, ohne Wort zu werden. Womit sie ein eben solches Wunder ist wie jenes, das sich an Weihnachten ereignete.

Und das wir nie begreifen werden, allenfalls ahnen können, wenn wir - ja, Bachs Weihnachtsoratorium hören, oder um Karfreitag die Johannes-Passion. Und so spricht Maria im Lukas-Evangelium nach der Verkündung des Engels nicht ohne Grund und durchaus wörtlich zu verstehen: "Meine Seele erhebt den Herrn."

Es ist der Gesang der sich empor schwingenden Seele, der Jubel, der in der menschlichen Stimme erklingt, der zum Hymnus wird auf das Unerklärliche. Wer hat denn gesagt, dass wir alles verstehen müssten? Wie gut, dass wir nicht wissen, warum wir Musik zum Leben brauchen. Es reicht, dass wir es immer wieder spüren. Beim Hören, Singen oder Spielen.