Jubel für „Der Diener zweier Herren“ als Open-Air-Spektakel in Düsseldorf Truffaldino im Dauerstress

DÜSSELDORF · Ein Pizzabote radelt zu den Klängen einer Blaskapelle über Düsseldorfs Gustaf-Gründgens-Platz, direkt vor der Nase des ewig hungrigen Truffaldino – und vor den ersten Zuschauer-Reihen. Allein für diese Nummer erntet der Radler vom Dienst Sonder-Applaus.

Kilian Ponert als Truffaldino (im Vordergrund) gerät als „Diener zweier Herren“ mächtig ins Schwitzen.

Foto: Sandra Then

Spätestens jetzt weiß jeder: Mit Carlo Goldonis Kult-Klassiker „Der Diener zweier Herren“ setzt das Schauspielhaus auf eine quirlige Mixtur aus Comedy und Musical, Zirkus und Theater. Inszeniert und choreographiert als tänzerisches Puppenspiel in Nachahmung der Commedia Dell’Arte – von Robert Gerloff, der dem Haus (u.a. mit Molières „Tartuffe“) bereits einige Knüller beschert hat.

Wie schon 2021 gehen die Theatermacher im Sommer wieder an die frische Luft. Bei der ausverkauften Premiere am Freitag mussten sich die Zuschauer in mehrere Decken einwickeln und auf wärmenden Styropor-Kissen sitzen. Denn trotz strahlender Abendsonne fegten polare Winde über Düsseldorfs Theaterplatz. Kurzes Aufwärmen in der Pause, danach durchhalten! Es lohnt sich.

Truffaldino hier, Truffaldino dort. Alle rufen und verlangen nach dem Diener, der wie der berühmte Figaro zwischen einer Herrschaft und der nächsten hin und her hechtet. Ab durch die Mitte, durch die zahlreichen Türen eines geschwungenen venezianischen Arkadengangs – aufgebaut von Maximlian Lindner.

Truffaldinos „Herrschaften“ sind Beatrice – verkleidet als ihr verstorbener Vater Federigo – und ihr Verlobter Florindo. Zufällig und unerkannt wohnen sie während einer Reise in derselben Herberge. Keine(r) weiß, dass auch der andere sich in der „Locanda“ eingemietet hat. Eine Konstellation, die Goldoni im 18. Jahrhundert für eine Verwechslungskomödie nutzte, um damit die alte italienische „Commedia dell’Arte“ wiederzubeleben.

Pantalone und Dottore, Truffaldino und Smeraldina zählen zu Archetypen der Theatergeschichte, die auch Regisseur Robert Gerloff, Ausstatter Lindner und Kostümbildnerin Cátia Palminha als Parodie auf den Theaterplatz bringen. Letztere packt das Ensemble in wattierte Puppenkostüme in Leuchtfarben, die mit Venedig-Zitaten spielen. Wie aufgeblasen gehen die neun Figuren auf und ab, dabei wunderbar altmodische Couplets singend. Eingängig zum Mitsummen sind die Songs von Imre Lichtenberger-Bosoki. Ebenso seine säuselnden Soundeffekte, die an alte Comicfilme erinnern, und seine Musik im Retro-Stil, manchmal von der kostümierten Live-Blaskapelle zum Besten gegeben.

Die Commedia aus Alt-Venedig wird – Gottlob! – nicht auf Biegen und Brechen modernisiert. Lediglich die saloppe Sprache und die geklopften Sprüche sind unserer Zeit abgelauscht. Ansonsten gibt Gerloff – temporeich, jugendfrei und familiengerecht – dem Affen Zucker.

Der Clou sind neben den Kostümen die Schauspieler: Biegsam, musikalisch, charmant und mit hintergründigem Augenzwinkern macht Kilian Ponert den Truffaldino zum allgegenwärtigen Protagonisten. Gebeugt sind Knie und Rücken – so dienert der Diener und hält die Fäden auf offener Bühne in der Hand, gerät als Doppelverdiener aber immer mehr ins Schwitzen.

Andreas Grothgar indes amüsiert als Schlitzohr und Geizhals Pantalone (di Bisognosi), der linkisch mit gebeugten Knien herumwatschelt. Und keuchend auf die Penunzen achtet. Er will seine Tochter Clarice mit dem alten Federigo verheiraten, obwohl sie den jungen Sohn des Dottore Lombardi liebt. Valentin Stückl macht aus diesem Silvio Lombardi einen herrlich aufgeblasenen, selbstverliebten Jungspund: Nach jedem zweiten Satz zelebriert er erhobenen Hauptes seinen wohlklingenden Namen. Mit diesem Running Gag wird Stückl schnell zum zweiten Publikumsliebling.

Fazit: Eine amüsante Komödien-Parodie im Stil der Commedia Dell’Arte. Regie, Bühne, Kostüme und Schauspieler: erste Garnitur.

Bis 3. Juli. Schauspielhaus Düsseldorf, Gustaf-Gründgens-Platz, Tel.: 0211/369911