Zoff um Kirchenfenster von Markus Lüpertz Der Streit um Gerhard Schröders Kirchenfenster
Der Altkanzler Gerhard Schröder will der Marktkirche in Hannover ein Werk des Malers Lüpertz schenken. Der Kirchenvorstand ist begeistert, die Gemeinde gespalten – und ein Erbe aus Japan das Problem.
Als Gerhard Schröder vor fast zwei Wochen seine fünfte Ehe begann, war Markus Lüpertz sein Gast im Berliner Hotel Adlon. Schröder und Lüpertz – das ist eine ziemlich feste Verbindung, seit der einstige SPD-Kanzler und sogenannter Boss der Bosse sich in Begleitung namhafter Künstler gut aufgehoben fühlte.
Man trank und gesellte sich zusammen, jeder steigerte den Wert des anderen, materiell wie ideell. Doch in Schröders Heimatstadt Hannover ist längst ein facettenreicher Streit um ein Objekt entstanden, das dieser Freundschaft entspringt: Der Altkanzler (72) will der Marktkirche ein Kirchenfenster von Lüpertz (77) schenken.
Das 13 Meter hohe Glasfenster gibt es bislang nur als Entwurf, aber dabei soll es nicht bleiben. Und eigentlich dauert das allen Beteiligten ohnehin schon viel zu lange. Denn der Kirchenvorstand als Sprachrohr der Gemeinde hat sich längst festgelegt: man will das Fenster annehmen und damit die rote, norddeutsch backsteingotische Kirche evangelisch-lutherischen Glaubens aus dem 14. Jahrhundert dem Wandel nicht verschließen. „Unsere Kirche ist kein Museum“, sagt Marktkirchen-Pastorin Hanna Kreisel-Liebermann, die das Thema seit zwei Jahren nicht mehr loslässt. Eigentlich sollte zum neuen niedersächsischen Feiertag, dem Reformationstag am 31. Oktober, das Fenster eingearbeitet sein. Doch das Projekt liegt auf Eis – und nervt die ganze Stadt.
Nicht ohne Grund: Die „schmucklose Wucht und ruppige Großartigkeit“, die einst Nachkriegs-Architekt Dieter Oesterlen der Kirche attestierte, will dessen Erbe Georg Bissen nämlich jetzt erhalten: Der in Japan lebende Bissen versteht das Erbe Oesterlens als Auftrag, im Rahmen des Urheberrechts an dem Bau nichts zu verändern und es im Südschiff bei schlichter Verglasung zu belassen. Die Kirche sei aus einem Guss, die Verglasung, die manch anderer im Zuge der im Streit entstandenen Interpretationen als „Notverglasung“ demaskiert hat, gehöre dazu. Weitere Gespräche lehnte Bissen ab.
Auflagen der Denkmalpflege können erfüllt werden
Pastorin Kreisel-Liebermann sieht das im Gespräch mit dieser Zeitung anders: Die Auflagen der Denkmalpflege könne der Kirchenvorstand erfüllen, der Künstler selbst werde in diesem Sinne mitarbeiten, sagt sie. Und überhaupt: Schon im imposanten 97 Meter hohen Westturm habe Oesterlen einst ein farbiges Fenster mitinitiiert. Und Pfingsten 1959 wurde das Bronzeportal von Künstler Gerhard Marcks der neue Eingang der Kirche. Zuletzt: Auch nach dem Krieg sei die Kirche verändert wiederaufgebaut worden. Veränderung also ließ dereinst auch Oesterlen sehr bewusst zu, sagt die Pastorin, „leider haben wir dazu aber keine Aufzeichnungen“.
Streit und Druck will Kreisel-Liebermann nicht, aber sie will „eine gute Entscheidung für die hannoversche Marktkirche“, die am Eingang der Altstadt gelegen zu den Symbolen der niedersächsischen Landeshauptstadt gehört – und ihre Attraktivität noch einmal steigern würde. „Ich wünsche mir, dass das Fenster kommt“, sagt sie, man brauche „exzellente Beratung“, um am Ende „am liebsten zu einer außergerichtlichen Einigung“ zu kommen.
Aber: Nicht alle in der aufgewühlten Gemeinde folgen der Begeisterung des Vorstands. Schon der Schenker ist nicht jedermanns Sache: Einige stoßen sich an der deutsch-russischen Freundschaft zwischen Schröder und dem „lupenreinen“ Demokraten Wladimir Putin. Oder sie lehnen Gebärden und Eigenwilligkeiten des Künstlers Lüpertz ab, dem eine gewisse Arroganz nachgesagt wird – die mancher aus Düsseldorf, wo Lüpertz von 1988 bis 2009 als Rektor der Kunstakademie wirkte, aber auch als „durchaus faszinierend“ beschreibt. Die Pastorin gibt zu Bedenken, dass Schröder ja nun einst Ministerpräsident aus Hannover war und auch als Kanzler der Stadt immer verbunden gewesen sei. Der SPD-Mann sei nie aus der Kirche ausgetreten, oft zu Gast und habe vor drei Jahren selbst noch eine „Bürgerpredigt“ gehalten in der Kirche, in der auch Hannovers Rat und der niedersächsische Landtag daheim sind, in der Margot Käßmann predigte oder einst dem Fußball-Torwart Robert Enke gedacht wurde. Und: „Schröders Tochter singt hier im Kirchenchor.“
Lüpertz hat schon in Köln ein Kirchenfenster gestaltet
Schröder selbst will sich zu dem etwa 100 000 Euro teuren Geschenk, das er über Vortragshonorare von Verbänden und Unternehmen finanzieren möchte, erst einmal nicht mehr äußern. Lüpertz hingegen hat in der Gemeinde bereits persönlich für sein Werk geworben und lässt darüber hinaus seine Expertise wirken, die man aus anderen Kirchen kennt: Der Katholik gestaltete schon in der Vergangenheit Fenster von Gotteshäusern, so in der Dominikanerkirche Sankt Andreas in Köln. Er wolle, sagte Lüpertz der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, die Kirche ja nicht umbauen, ihre Architektur werde durch das Fenster „überhaupt nicht verändert“. Und: Auch Gerhard Richters einst viel kritisiertes, weil einigen zu abstraktes Fenster im Kölner Dom hat die Attraktivität des Gotteshauses am Ende nachhaltig steigern können.
Das Werk selbst gilt als gelungen, ist aber auch nicht jedermanns Sache. Vor allem die fünf fetten Fliegen, die Luthers dunklen Kampf gegen das Böse symbolisieren sollen, sind manchem Ärgernis. Die Pastorin findet es gelungen, zumal die fünf Fliegen an die fünf Säulen und den fünf Fenstern angelehnt sind. Ob das am Ende überzeugt? Womöglich bleibt Lüpertz auf seiner Idee sitzen. Und Schröder auf seinen Honoraren.