Glaskunst Ehepaar rettet alte Kirchenfenster
In einer Tiefgarage in Mönchengladbach lagern mehr als 600 ausgediente Kirchenfenster — darunter auch Glaskunst aus dem „Immerather Dom“.
Mönchengladbach. Jahrzehntelang sind die Glasfenster eine Zierde, färben das Sonnenlicht, die Menschen blicken andächtig hinauf. Doch dann das Ende: Kirchen werden geschlossen, entweiht, demontiert. Und was passiert mit den Fenstern? Oft werden die meterhohen Kunstwerke mitsamt den Mauern eingerissen und zu Schutt. Aber nicht mit Annette Jansen-Winkeln. „Man kann nicht mit ansehen, wie die Dinge zerstört werden“, sagt die 63 Jahre alte Kunsthistorikern.
Die praktische Folge füllt eine ganze Tiefgarage in Mönchengladbach. Annette und Ernst Jansen-Winkeln haben in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte ausgediente Glasmalerei-Fenster vor der Zerstörung bewahrt. Die Arbeiten stammen vor allem aus Kirchen in Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Fürstenfeldbruck bei München oder aus den benachbarten Niederlanden.
Dass das Ehepaar diese Kirchenkunst rettet, fing als Familienangelegenheit an. Denn der Vater von Ernst Jansen-Winkeln hat als Glasmaler Kirchen ausgestattet. Mehrere Fenster hat sein heute 81 Jahre alter Sohn gerettet. „Wenn Sie Sohn sind, fällt es Ihnen schwer, da zuzugucken“, sagt der Architekt. Einige der Glasbilder mit biblischen Szenen hat er im eigenen Haus eingebaut. Auch aus der im Januar in Erkelenz für den Braunkohletagebau abgerissenen Immerather Kirche wurden Fenster gerettet.
Mehr als 600 Stücke, etliche aus aufgegebenen Kirchen, lagert das Ehepaar in seinem Depot. Die erstaunlich dünnen Kunstwerke stehen aufrecht zwischen Holzpflöcken, sorgsam verpackt und beschriftet. Kleine weiße Zettel, die mit Reißzwecken befestigt sind, verraten die Herkunft: „Koblenz-Lützel“, „Straelen Altenheim“ oder, neben einem gläsernen Blütenmuster in Blau und Grün, „Th.-Fliedner-Heim, Herten“. In Regalen liegen stapelweise dicke Papierrollen mit den Entwurfszeichnungen der Künstler.
Mehr als 100 000 weltliche und kirchliche Glasfenster in Nordrhein-Westfalen hat das Ehepaar außerdem in den vergangenen Jahren auf eigene Faust erfasst. Im Internet ist die Pioniertat als „Forschungsstelle Glasmalerei“ veröffentlicht. Es zeigt sich: Glaskunst kann sehr lebensnah sein. Im fußballverrückten Gelsenkirchen-Schalke etwa ist in der Kirche St. Joseph auf einem Fenster der Heilige Aloysius mit Fußball und Sportschuhen verewigt. Im Töpferdorf Adendorf bei Bonn zeigt ein über hundert Jahre altes Glasbild einen Töpfer bei der Arbeit.
Sammler von Kirchenfenstern sind Annette und Ernst Jansen-Winkeln aber nicht: Sie verstehen sich als Aufbewahrer. „Wir müssen unbedingt die Fenster über die Zeit retten“, sagt die Kunsthistorikerin. Sie beklagt, dass derzeit nur der Denkmalschutz ein künstlerisch gestaltetes Fenster retten kann. „Man sollte meinen, dass die Kirche ihr eigenes Kulturgut schützt“, sagt sie. Aber für Glasmalerei interessierten sich nur Wenige.
Das Bistum Münster aber bewahrt Inventar aus aufgegebenen Kirchen auf. Ein Teil der Kirchenfenster wird in Mönchengladbach zwischengelagert. Darüber gibt es sogar Verträge. Glasfenster seien mit Abstand die teuersten Ausstattungsgegenstände in Kirchen, berichtet Martin Kaspar, Kunsthistoriker des Bistums. „Vor allem Kunst aus den Nachkriegsjahren hat es heute schwer, der Geschmack hat sich geändert“, sagt er.
In seltenen Fällen haben ausgebaute Kirchenfenster eine neue Bleibe gefunden. An eine Kirche in Rottstock im Bundesland Brandenburg wurden Buntglasmalereien aus einem Kloster aus dem niederländischen Roermond vermittelt. Andere Arbeiten wurden in Ausstellungen gezeigt. Langfristig aber sollen die Kirchenfenster aus der Tiefgarage wieder öffentlich zu sehen sein.