Düsseldorfer Schauspielhaus Brecht-Stück „Leben des Galilei“ - Klaußner ist der Star des Abends
Düsseldorf · Festakt zum 50-jährigen Bestehen: Das Schauspielhaus in Düsseldorf zeigt das „Leben des Galilei“ – am Ende gibt es freundlichen Beifall.
Der Gustaf-Gründgens Platz ist trotz Baustelle schon zu erkennen. Und zum 50-jährigen Bestehen glänzte festlich das Innere des Düsseldorfer Schauspielhauses, das ohne Verkleidung und mit eingerüsteter Fassade zwar noch wie ein Monster-Gerippe ausschaut und die elegant geschwungenen Formen des 70er-Jahre-Architektur-Denkmals nur zu erahnen ist. Doch weder auf dem Platz noch im Haus war ein Demonstrant zu sehen.
Ganz anders als vor 50 Jahren, als Hunderte von 68er-Studenten gegen damalige Kultur-Eliten rebellierten. Ruhig, freundlich und glatt verlief der Festakt, bei dem unter anderem Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) ein glühendes Plädoyer für die Freiheit der Kunst hielt und die Kraft der Lebendigkeit des Theaters und Unwiederbringlichkeit des Augenblicks beschwor.
Kein Zufall vielleicht, dass Intendant Wilfried Schulz in seiner Festrede Theater als „Raststätte der Reflexion“ hervorhob. Das passt in mehrfacher Sicht zu der Neu-Inszenierung des Brecht-Stücks „Leben des Galilei“, mit dem die zehntägige Jubiläumsfeier des einzigen NRW-Staatstheaters eröffnet wurde. Darin geht’s unter anderem um die Fragen „Wie weit geht die Verantwortung der Wissenschaft? Oder: Dürfen Wissenschaftler gegen besseres Wissen ihre Erkenntnis zurückhalten, gar leugnen?“
Das Stück, das Brecht nach dem 9. November 1938 (Reichspogromnacht) gegen die finstere Nazi-Herrschaft zu schreiben begann, mag sicherlich heute auf der Hand liegen – in Zeiten, in denen wissenschaftlich nachgewiesener Klimawandel von Potentaten (nicht nur vom US-Präsidenten) geleugnet wird. Doch wenig ergiebig scheint – zumindest in der Inszenierung von Lars-Ole Walburg – die Analogie zum Wissenschaftler Galileo Galilei zu sein: Er konnte im 17. Jahrhundert beweisen, dass die Erde nicht Zentrum des Universums, sondern nur ein Stern ist, der wie andere um die Sonne kreist. Musste aber, um seine Haut vor der Folter der (Un-)Heiligen Inquisition zu retten, seine Thesen widerrufen.
Statische Inszenierung, bei der Figuren kaum vom Fleck kommen
Walburg, Ex-Intendant von Hannover, der für den erkrankten Roger Vontobel einsprang, ist nicht viel zu dieser Analogie eingefallen. In seiner statischen Inszenierung, bei der die Figuren kaum vom Fleck kommen, ist zwar viel Reflexion zu spüren, aber nur wenig von der vibrierenden Aufbruchstimmung in Schulz’ Theatertempel. Er erzählt Galileis Stationen nach – von der freien Republik Venedig, über Florenz bei den Medicis bis nach Rom. Und lässt die Befürworter und Gegner manchmal wie Witzfiguren paradieren. Ansonsten wirken die zwei Stunden wie sprödes Gedanken- und Steh-Theater aus vergangenen Jahrzehnten – so, wenn Galilei (Burghart Klaußner) und sein Schüler Andrea Sarti (munter naiv, mit Blondschopf und kurzen Hosen: Lea Ruckpaul) sich in philosophischen Thesen ergehen.
Schwarz und dunkel ist fast alles auf der Bühne: Bedrohlich ragt ein Riesenrohr in den düsteren Bretter-Raum hinein (Bühne: Olaf Altmann). Meist verharren die Figuren in einem Lichtkegel, der aus dem Fernrohr auf die Bühne projiziert wird. Wie ein Gefangener seiner Forschung liegt Burghard Klaußner (Galilei) in dem Lichtschein, gelähmt von Angst, wird erst munter, wenn er seinem Schüler Andrea, seinem einzig echten Verbündeten, etwas Neues erklären kann.
Eher genervt reagiert er auf seine Tochter Virginia (Cennet Rüya-Voß), die allzu häufig in die Kirche rennt, mit dem reichen Schüler (Jonas Friedrich Leonhardi) flirtet und den Vater – nachdem er widerrufen hat – abschirmt. Die anderen Figuren defilieren, manchmal in steife Halskrausen gezwängt. Bis auf Tabea Bettin als Inquisitor mit aschgrauer Perücke, die wie eine TV-Moderatorin Galilei zum Widerruf wider besseres Wissen überredet.
Star der Abends bleibt der Hauptdarsteller: Klaußner beleuchtet die vielen Facetten des Forschers: Er quält sich mit dem Widerruf, hat Panik vor möglichen Konsequenzen seines Widerrufs für andere Wissenschaftler. Doch vermag Klaußner nur selten, die Regie-Schwächen zu übertünchen. So bleibt die Frage, ob der Brecht-Text für uns heute dafür taugt, die Grenzen von Wissenschaft und Technik zu diskutieren. Freundlicher Beifall, Jubel für die Darsteller.