Bjarne Mädel: „Serien in Deutschland hinken hinterher“
Berlin (dpa) - Als Mobbingopfer Ernie in der Büro-Kultserie „Stromberg“ wurde Bjarne Mädel vor fast zehn Jahren zum Liebling der deutschen Serienfans.
Mittlerweile ist er auch „Tatortreiniger“ und Polizeiobermeister Dietmar Schäffer in der Krimiserie „Mord mit Aussicht“. Im dpa-Interview spricht der 45 Jahre alte Schauspieler über den Stromberg-Kinofilm, Nivea-Creme in den Haaren, seine Sehnsucht nach Serien im US-Stil - und warum ihn Ernie irgendwann genervt hat.
Frage: Warum hat das „Stromberg“-Team den Weg von der Fernseh-Serie zum Film gewagt?
Antwort: Die Idee kam uns, als wir vor einer Staffel herumgereist sind und ein paar Folgen der Serie im Kino als Vorschau gezeigt haben. Da haben wir mit 600 Leuten Stromberg geguckt. Das war ein großes Fest, ein bisschen wie ein Rockkonzert. Da haben wir zum ersten Mal gemerkt: Das funktioniert auch auf der großen Leinwand.
Frage: Stromberg ist längst Kult. Was ist das Geheimnis?
Antwort: Mut. Wir haben einen Chef, der ein Riesen-Arschloch ist, eine arme Wurst als Identifikationsfigur für die Zuschauer. Er zieht alle Menschengruppen durch den Kakao und ist politisch unkorrekt.
Frage: In Stromberg kriegt so gut wie jeder sein Fett weg, Frauen wie Männer, Ausländer, Schwule, Behinderte.
Antwort: Wenn du nur politisch korrektes Fernsehen machst, hast du das tollste Fernsehen nicht mehr. Dafür gibt es dann ja diese Rosamunde-Pilcher-Filme mit dieser geheuchelten Korrektheit. Wer zum Beispiel Respekt vor Behinderten hat, der macht meiner Meinung nach über sie genauso Witze wie über andere. Dann ist man auf Augenhöhe.
Frage: Besonders Herr Turçulu, Strombergs türkischer Konkurrent aus Staffel eins, muss im Film ordentlich einstecken.
Antwort: Natürlich ist der Türke bei uns der „Dönerdödel“ oder „Knoblauchlocher“. Aber schauen Sie mal genau, was erzählt wird: Der arbeitet mittlerweile in der Zentrale, wo es Stromberg nie hingeschafft hat - weil Turçulu eben besser ist. Der Idiot ist bei uns eigentlich der Deutsche.
Frage: Durch ihre Rolle als Berthold „Ernie“ Heisterkamp wurden sie in Deutschland bekannt. Stört es Sie, immer nur „der Ernie“ zu sein?
Antwort: Klar. Das ist immer die Gefahr, wenn man eine Serienfigur spielt, und die Serie länger und erfolgreich läuft. Aber es würde meinem Schauspiel nicht gerecht werden, wenn es heißt, der Mädel kann nur eine Rolle spielen. Bruno Ganz würde man auch nicht fragen: „Wie viel Adolf Hitler steckt in Ihnen, Herr Ganz?“
Frage: Wie lange dauert es, Berthold „Ernie“ Heisterkamp so aussehen zu lassen, wie er nun mal ist: schwitzend, etwas altbacken, unsexy?
Antwort: Meistens nur fünf Minuten. Mir werden ein paar Pickel gemalt und dann noch sehr gekonnt ein wenig Nivea-Creme in die Haare geschmiert - fertig ist der Ernie.
Frage: Manchmal ist Ihre Rolle - vorsichtig formuliert - für den Zuschauer etwas anstrengend.
Antwort: In Staffel fünf hat mich Ernie manchmal genervt, weil er noch hysterischer als sonst war. Im Film konnte ich ihn etwas herunterdrehen. Natürlich ist der immer noch nicht ganz dicht, aber man konnte ihn wieder etwas normaler zeigen. Das hat mich total gefreut. Ich hab dem Ernie sehr viel zu verdanken.
Frage: Sind Sie traurig über das Ende nach zehn Jahren Stromberg?
Antwort: Klar! Wenn man die letzte Szene dreht und in der Garderobe das letzte Mal sein Kostüm auszieht, ist das schon sehr traurig. Die Schuhe zum Beispiel, die wollte ich nie abgeben, obwohl die Sohle schon halb ab war. Das waren halt Ernies Schuhe, neun Jahre lang.
Frage: US-Serien wie „Breaking Bad“ machen Kinofilmen weltweit starke Konkurrenz. Wie steht es um die Serienlandschaft in Deutschland?
Antwort: Wir in Deutschland hinken da komplett hinterher. Die Amis können weltweit vermarkten und haben ganz andere finanzielle Möglichkeiten. Ich gucke einige dieser US-Serien wahnsinnig gerne. Das sind richtige Serien im wörtlichen Sinne, wo du die elfte Folge nicht verstehst, wenn du die zehnte, neunte und achte nicht gesehen hast. Das baut aufeinander auf. Das hat man in Deutschland ganz verschlafen - obwohl das doch eigentlich der Sinn einer Serie ist. Hier gibt es nicht den Mut, zu sagen: Ich bestelle jetzt 30 Folgen einer Serie. Hier sind es meist drei bis vier, maximal zehn.
Frage: Haben Sie eine Lieblingsserie?
Antwort: Ich habe vor kurzem „Breaking Bad“ zu Ende geguckt. Das war der Kracher. Was die spielen, finde ich sensationell und spannend.
Frage: Bryan Cranston spielt darin einen schwerkranken Chemielehrer, der sich entschließt, Drogendealer zu werden.
Antwort: Das ist nur der Teppich, auf dem zwischenmenschliche Geschichten erzählt werden. Man verliebt sich in Figuren - darin liegt aber auch die Gefahr zu sagen: Bryan Cranston ist Walter White. Wenn der in anderen Filmen spielt, denkst du sofort an den Typen, der Breaking Bad groß gemacht hat. Das ist der Fluch von Serien.
Frage: Die Stromberg-Fans werden Sie immer als Büro-Ernie in Erinnerung behalten. Wollten Sie mal im Büro arbeiten?
Antwort: Büro war nie mein Ziel. Ich habe mich sehr lange mit Jobs durchgeschlagen. Ich habe auf dem Bau gearbeitet, bei der Post, auf dem Flughafen in Frankfurt und im Hafen in Hamburg, dann in einer Gärtnerei, in den USA habe ich an Haustüren Allzweckreiniger verkauft. Ich habe studiert und geträumt, irgendwann Bücher zu schreiben. Dann kam aus Zufall die Schauspielerei.
Frage: Warum sind Sie dabei geblieben?
Antwort: Da konnte ich alles ausleben. Beim Studieren bist du auf den Kopf, auf dem Bau sehr auf den Körper reduziert. Beim Schauspiel brauchst du beides.
Frage: Und ein Bürojob war nie ein Thema?
Antwort: Mir war klar, dass ich nie im Büro arbeiten möchte. Das hat die Arbeit an Stromberg echt noch einmal bestärkt. Wenn du da in die Versicherung reingehst und denkst, du sitzt da noch die nächsten 40 Jahre - das ist eine furchtbare Vorstellung für mich. Ich kann nachvollziehen, wenn Leute wie Ernie durchdrehen in so einem Kosmos.