Cosmopolis: Keinen Schimmer vom Leben

David Cronenberg schickt Robert Pattinson in „Cosmopolis“ als Investment-Hai durch Manhattan: Eine bittere Satire.

Düsseldorf. Das Ziel: ein Friseur. Der Weg: verstopft. Manhattan im Ausnahmezustand, der Präsident ist in der Stadt. Sicherheitsvorkehrungen lassen den Verkehr erlahmen. Eric Packer (Robert Pattinson) besteht trotzdem darauf, in seiner Stretch-Limo zum Haareschneiden chauffiert zu werden. Würde er zu Fuß laufen, ginge wertvolle Zeit verloren. Als Investmentbanker ist Packer immer on, keine Atempause, Milliarden werden gemacht, Sekundenbruchteile entscheiden über Vermögen oder Versagen.

Packers Schaltzentrale: sein Luxusschlitten. Wie ein Raumschiff gleitet er in Zeitlupe durch die Schluchten des Big Apple, das lärmende Leben außerhalb der verdunkelten Scheiben aus Sicherheitsglas schimmert lautlos in die geräumige Fahrgastzelle. Auf transparenten Bildschirmen schnellen Buchstaben und Zahlen vorbei, als seien sie auf der Flucht. Packer thront im Fond auf schwarzglänzendem Leder. Hier hält er Audienz, empfängt seine Analystin, seine Chefstrategin, seine Galeristin, seinen Arzt, kauft Anleihen oder Kunst, die als unverkäuflich gilt, und erhält quasi im Vorbeigehen die Diagnose, dass seine Prostata asymmetrisch ist.

2003, also lange vor der Forderung nach Transaktionssteuern, dem globalen Finanzcrash und der Occupy-Bewegung, schrieb US-Literat Don DeLillo mit „Cosmopolis“ einen fast schon prophetischen Roman über die Implosion des Turbokapitalismus. David Cronenberg, Spezialist für die Bebilderung menschlicher Verletzlichkeiten, macht aus dieser düsteren Parabel eine Satire, die ganz bewusst auf Humor verzichtet und ihr Personal zu widerlichen Karikaturen entstellt.

Nur selten wird Packer seinen Wagen verlassen, wenn er es tut, ist es der verzweifelte Versuch, ein Stück Normalität in sein Leben zu holen, ohne überhaupt zu wissen, was das bedeuten soll. Er, der sein gesamtes Umfeld seinem Terminkalender unterwirft, als seien sie alle Figuren auf einem Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielfeld, kommt sich vor wie betäubt.

Eine seiner Security-Angestellten, mit der er im Hotel eine Nummer schiebt, fleht er an, ihn mit ihrem Taser zu betäuben. Packer will spüren, dass er lebt. Aber selbst, wenn er wenig später jemanden aus purer Neugierde umbringt, bleibt sein Gesichtsausdruck leer. Sex, Reichtum, Macht — alles, was den Kick bringen könnte, hat bei ihm ausgedient. Bleibt nur noch, sich dem Attentäter zu stellen, der angekündigt hat, Packer niederstrecken zu wollen.

Teenie-Idol Robert Pattinson ist, so böse das jetzt klingen mag, für diesen Schnösel, der gefühls- und ausdruckslos durchs Leben rauscht, eine Idealbesetzung. Beklemmend die Szenen, in denen er mit einer vertrauten Beraterin (Samantha Morton) über Moral philosophiert, die in diesem Szenario so weit weg zu sein scheint, dass das Gespräch über sie wie eine Trauerrede klingt. Alles ist virtuell, Empathie reine Zeitverschwendung.

Cronenberg ist nach seinem Psychodrama „Eine dunkle Begierde“ (2011), dem die historische Korsett-Kulisse die Luft abschnürte, mit „Cosmopolis“ wieder dort angekommen, wo er am besten ist: nämlich da, wo’s weh tut!