„Das Leben des Fatih K.“: Berührende Doku eines Behinderten
Hamburg (dpa) - „Bis dahin und nicht weiter“, sagt Fatih Kan beim Dreh. Beim Toilettengang will er nicht gefilmt werden. Doch ansonsten zeigt der Dokumentarfilm „Das Leben des Fatih K.“ fast alle Bereiche seines Alltags im Rollstuhl.
Fatih Kan leidet an der Glasknochenkrankheit, er ist ungefähr einen Meter groß, braucht Hilfe beim Essen, beim Umziehen, beim Zubettgehen. Der 26-Jährige ist Student an der Universität Hamburg. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen Stefan Löhr und Jörn Petersen hat er an der Hochschule seinen ersten Film gedreht - mit sich selbst als Protagonisten. Am 10. März war Premiere, im April ist er auf der „Dokfilmwoche“ in Hamburg zu sehen.
Er hatte die Projektbeschreibung gelesen und sofort gewusst: Ich mache einen Film über mich selbst. „Ich bin sowieso ein ziemlich offener Mensch“, sagt Kan. „Mir macht es nichts aus, mein Leben vor der Kamera zu zeigen.“ Er habe gespürt, dass das Thema interessant für eine Dokumentation ist. „Ich hätte aber nicht gedacht, dass der Film so gut ankommt.“ So gut, dass sich die Gruppe damit bei verschiedenen Filmfestivals beworben hat.
Bisher hat die „Dokfilmwoche“ in Hamburg zugesagt, Bewerbungen in Leipzig und München laufen. „Nur die „Berlinale“ haben wir ausgelassen“, scherzt Kan, der nach dem Medien- und Kommunikationsstudium gern als TV-Redakteur arbeiten will. „Das Leben des Fatih K.“ berührt: Da ist die intime, konfliktreiche Beziehung zwischen Kan und Haney Tesfay, seinem Pfleger und Freund, der das enge Verhältnis als Geschenk und als Bürde gleichermaßen empfindet. Dann die Operation, bei der die Ärzte nicht sicher sind, ob Kan sie unbeschadet übersteht.
Da ist die Familie, die zurücksteckt, sich kümmert. Und über allem steht der starke Charakter des Protagonisten, der so normal leben will wie möglich, der seine Ziele ehrgeizig verfolgt - mal voller Humor, mal bitterernst. Am Anfang sei es komisch gewesen, ständig gefilmt zu werden, sagt Kan. Besonders da an seinem Rollstuhl eine zweite Kamera befestigt war, mit der er sich selbst und sein Umfeld aus seiner Sicht filmte. Außerdem war da der Gedanke, wer das Ergebnis alles anschauen würde. Da war es wichtig, zwei Mitstreiter zu haben, um eine neutrale Perspektive zu behalten.
Wäre es allein seine Entscheidung gewesen, hätte er ein paar Szenen wieder herausgenommen - so wie die, als er „Ich ficke euch“ in die Kamera sagt. Die Diskussion mit seinen Kollegen habe ihm aber gezeigt, wie wichtig auch die weniger vorteilhaften Facetten seines Charakters für den Film sind. Zwei Monate hat die Studentengruppe gedreht, geschnitten, korrigiert, bis ihr Werk einen Tag vor der Premiere fertig war. Timo Großpietsch, Leiter des Filmprojekts und Dokumentarfilmer beim NDR, ist begeistert: „Als Fatih ins Seminar kam, war mir klar, dass man eine Geschichte mit ihm machen muss“, sagt Großpietsch.
Er hatte besonders in der engen Beziehung zwischen Kan und seinem engsten Freund, Haney Tesfay, die so sehr an „Ziemlich beste Freunde“ erinnert, Potenzial gesehen. „Nur, das hier ist Realität. Deshalb geht es so nah.“ Er habe Lust mit dem gleichen Team noch eine Dokumentation zu drehen - „Über Migration in Deutschland zum Beispiel“, sagt Kan, der selbst türkische Wurzeln hat. Momentan sei die Gruppe jedoch mit dem letzten Feinschliff für die Festivals beschäftigt. „Besonders der Titel ist Mist!“, kritisiert der 26-jährige, „Ich will keinen Film über mein Leben einreichen, der „das Leben des Fatih K.“ heißt“.