„Der Mensch ist des Menschen Wolf“

Ab Donnerstag in den Kinos: „Die Nacht“ von Regisseur Werner Schroeter über Menschen in Not.

Düsseldorf. Nächtliches Dunkel liegt über dem nur schwach beleuchteten Bahnhof der fiktiven lateinamerikanischen Hafenstadt Santa Maria. Ein Mann mittleren Alters mit meliertem Bart und schwarzem Hut schenkt einem kleinen Mädch³en eine weiße Blume. Dazu erklingen Melodien aus Franz Schuberts "Der Tod und das Mädchen". Diese Takte und viele andere symbolischen Klänge aus dem Musikkosmos begleiten Werner Schroeters Film "Die Nacht" geradezu leitmotivisch.

Der Mann mit der Blume heißt Ossorio (Pascal Greggory), ist Protagonist einer gescheiterten Widerstandsbewegung und kehrt auf der Suche nach seinen Freunden und seiner geliebten Clara zurück in die belagerte Stadt. Verändert hat sich aber nicht nur die politische Situation, auch die einstigen Freunde wirken wie verwandelt.

Im Terror der Milizen versucht jeder nur die eigene Haut zu retten. Die Nacht dient als Fluchthelferin. "Diese Nacht", eine Verfilmung von Juan Carlos Onettis Roman "Para esta noche", spielt inmitten eines Bürgerkriegs des 20. Jahrhunderts.

Schroeter schildert auf ungewöhnlich lyrische, mitunter auch kafkaesk hinhaltende Weise die letzte Nacht des baulich pittoresken und stimmungsvollen Ortes, der nun im Chaos von Gewalt und Terror versinkt. "Der Mensch schafft es immer wieder, zu Tode zu quälen, was eigentlich sehr schön sein könnte", sagt Schroeter in einer kurzen Einführungsrede zur Preview im Düsseldorfer Kunstfilm-Kino "Bambi".

Mit der Romanvorlage sei er frei umgegangen, erklärt Schroeter zuvor im Gespräch. "Wesentlich ist: Eine Romanverfilmung darf den Text nicht nachstottern." Der Plot müsse für den Film neu kreiert werden. Ihm gehe es um die Herstellung eines Spiegelbilds menschlichen Zusammenlebens in einer Fantasie-Stadt.

Eine große Rolle spiele das Phänomen der Destruktivität. Schroeter zitiert den römischen Dichter Plautus: "Der Mensch ist des Menschen Wolf" (bei Thomas Hobbes: des Menschen Feind").

Der uruguayische Schriftsteller Onetti schrieb seinen Roman in den Jahren 1942/43, verzichtet aber auf Anspielungen auf den 2. Weltkrieg. Es ist immer wieder der Fantasie-Ort Santa Maria, der Dreh- und Angelpunkt der Romanhandlungen ist. Wie auch Onetti meidet Schroeter das Konkrete. "Mein Film ist sinnlich, nicht didaktisch", sagt er.

Um ein entsprechendes Ergebnis zu erhalten, habe er beispielsweise mit den Darstellern an der Sprache gearbeitet. "Die Sprache soll nicht so akademisch sein, sondern etwas vollmundiger." Indes wird eher wenig gesprochen. Vielmehr fügt die Musik noch einen eigenen bildmächtigen Klang hinzu.

"Diese Nacht", Frankreich/Deutschland/Portugal 2008, 118 Minuten.