Die Masse macht's beim Londoner Film-Festival
London (dpa) - Mit dem London Film Festival ist es ein wenig so wie mit der London Fashion Week: Das Beste vom Rest.
Diesen Ruf wollen die Organisatoren des diesjährigen Festivals an der Themse offenbar endgültig abschütteln. Große Stars schreiten reihenweise über den roten Teppich, und mehr als ein Werk ist oscarverdächtig. Das Festival läuft noch bis zum 20. Oktober.
Sie spüre in London „Abenteuerlust und Offenheit für neue Dinge“, sagte Festival-Chefin Clare Stewart der BBC. „Unsere Rolle besteht zunehmend darin, wichtigen internationalen Filmen ein Entree auf dem europäischen Parkett zu verschaffen.“ Die Australierin Stewart, ehemalige Direktorin des Filmfestivals in Sydney, leitet das London Film Festival in diesem Jahr zum zweiten Mal. Auch der Zeitpunkt des Festivals im Vorlauf zu den großen Filmpreisen in den USA und Großbritannien liege günstig, sagte sie.
Was an Glanz fehlen mag, gleicht Stewart mit Masse aus. In Zusammenarbeit mit dem British Film Institute (BFI) werden in London binnen zehn Tagen 235 Spielfilme und 134 Kurzfilme aus 53 Ländern gezeigt. Schauplätze sind keineswegs nur die üblichen Premieren-Paläste im Zentrum der britischen Hauptstadt, sondern auch kleinere Häuser in allen Stadtteilen sowie Satellitenübertragungen in Kinos anderswo in Großbritannien und in Irland.
„Für mich besteht die Kernidee eines Filmfestivals darin, Filme zu gucken“, sagt Stewart. Die Einbeziehung des „regulären Publikums“ habe für sie oberste Priorität. Schon 2012 verbuchte das Festival mit rund 150 000 Besuchern einen 13-prozentigen Publikumszuwachs.
Auch in diesem Jahr können die Organisatoren zufrieden sein. Der Festivalauftakt „Captain Phillips“ des britischen Regisseurs Paul Greengrass, in dem Tom Hanks ein von somalischen Piraten gekapertes US-Containerschiff navigiert, erntete rundum Lob. „Vielleicht Hanks' bestes Werk“, urteilte der Filmkritiker Mark Kermode. Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film vereine „nervenzerreißende Aktion“ mit dokumentarischen Elementen über die „Globalisierung unserer Zeit“.
Als hitverdächtig gilt auch der Film „Gravity“ (Schwerkraft), in dem Sandra Bullock und George Clooney als Astronauten nach einer Kollision durchs Weltall irren. Das Werk sei dank seiner Spezialeffekte visuell und technisch beeindruckend, befanden die Kritiker. Mit großer Spannung wird Steve McQueens Drama „12 Years A Slave“ zum Ende des Festivals erwartet. Die Geschichte über einen jungen afro-amerikanischen Musiker, der gekidnappt und als Sklave verkauft wird, gilt in London als heißer Anwärter auf einen Oscar.
Von sich reden machte zudem der Film „Le Week-End“, in dem Regisseur Roger Michell treffsicher die Erwartungen und Enttäuschungen eines Paares aufzeichnet, das zum 30. Hochzeitstag eine Kurzreise nach Paris unternimmt. Der Film „The Fifth Estate“ um die WikiLeaks-Veröffentlichungen von 2010 blitzte indes nicht nur bei WikiLeaks-Gründer Julian Assange ab. Auch der Journalist David Leigh, Co-Author des Buches „Inside Julian Assange's War on Secrecy“, fand die Leinwandversion „weit von dem entfernt, wie ich die Story sah“.