Europa ehrt Bernardo Bertolucci
Rom/Valletta (dpa) - Auf ein politisch radikales Frühwerk folgten provokante, opulente Meisterwerke und dann zwiespältige Filme oder auch solche in eher lüsterner Altherrenart.
Die Achterbahn seiner Karriere als einer der letzten ganz großen italienischen Regisseure hat Bernardo Bertolucci (71) auf den Olymp der Zunft geführt. Filme wie „Der letzte Tango“ oder „Der letzte Kaiser“ setzten nicht zuletzt stilistische Maßstäbe. Bei der Vergabe des Europäischen Filmpreises in Valletta auf Malta erhält Bertolucci an diesem Samstag den Europäischen Ehrenpreis für sein Lebenswerk.
Der Mann aus dem norditalienischen Parma gewann Oscars und Golden Globes. Am Lido in Venedig würdigte ihn ein Goldener Löwe. Bertolucci filmt nicht mehr viel, arbeitet an Projekten. Als letztes stellte er in diesem Jahr außer Konkurrenz in Cannes seinen ersten Spielfilm nach knapp zehn Jahren vor: Das klaustrophobische Kammerspiel „Io e te“ (Ich und du) nach dem vielbeachteten Roman von Niccolò Ammaniti.
Bertolucci hat seine enorme Bandbreite und künstlerische Klasse längst zur Genüge unter Beweis stellen können. Mit seinem Hang zum Voyeurismus und zum kalkulierten Skandal hat der einst bekennende Marxist tiefe Fußspuren im Kino des 20. Jahrhunderts hinterlassen. Nicht alles geriet bei Kritikern oder an der Kinokasse zum Erfolg, es waren also durchaus auch Flops darunter. Nach „nur“ 16 Filmen in vier Jahrzehnten schien der Faden gerissen, doch dann folgte „Io e te“.
„Der letzte Tango in Paris“. Ein amerikanischer Kritiker nannte das (bereits siebte) Werk Bertoluccis 1972 „den stärksten erotischen Film, der je gedreht wurde“. Das mag inzwischen überholt sein, aber der skandalträchtige Wurf traf den Nerv der Zeit, das neue Lebens- und Freiheitsgefühl nach der Studentenrevolution 1968 an der Seine. Ein Amerikaner (Marlon Brando) streunt durch Paris und trifft auf eine junge Französin (Maria Schneider). Von da an dreht sich alles praktisch nur um Sex. In Italien verboten, wurde „Der letzte Tango“ zum absoluten Kultfilm. Den Ruhm verkraftete Maria Schneider nicht.
„1900“. Das war der andere Bertolucci, der vier Jahre später ein überaus prominent besetztes und fünfeinhalb Stunden langes Epos über Italiens Bauern- und Klassenkämpfe Anfang des 20. Jahrhunderts dem Publikum vorstellte. Auch Burt Lancaster, Donald Sutherland, Gérard Depardieu und andere konnten indessen nicht verhindern, dass „1900“ des Kommunisten Bertolucci einfach etwas schwere Kost werden musste. Dabei hatte er doch bereits mit „Vor der Revolution“ (1964) und in „Der große Irrtum“ (1970) über einen gesetzten Professor während des Faschismus beredt und engagiert einige politischen Akzente gesetzt.
Als Teenager hatte der Sohn einer großbürgerlichen Familie seinen ersten Kurzfilm gedreht, dann Gedichte geschrieben. Sein Vater, ein Literat, stellte ihn Pier Paolo Pasolini vor, der ihn als Assistent der Regie bei „Accatone“ einsetzte. Ein Anfang war damit gemacht.
Eineinhalb Jahrzehnte nach dem „Letzten Tango in Paris“ folgte sein zweiter Welterfolg: „Der letzte Kaiser“ ist die Geschichte eines Gott-Kaisers, der dreijährig ans Ruder kommt, von seinen Untertanen als Gott verehrt wird und dann wie ein Gefangener der Macht lebt. Im Gegensatz zu diesem mit Preisen überschütteten Film, für den Peking den Regisseur sogar in der „Verbotenen Stadt“ drehen ließ, geriet sein fernöstlicher „Little Buddha“ sechs Jahre später eher zu einem Flop. Auch „Die Träumer“ (2003) blieb hinter den Erwartungen zurück.