Fußballer-Doku: Mozarts Zaubern und Zagen
Der Langzeit-Dokumentarfilm „Tom meets Zizou“ begleitet die kurvige Karriere des Fußballers Thomas Broich.
Düsseldorf. Mutter Broich holt einmal Luft. Dann sagt sie: „Da hab’ ich so einen gescheiten Sohn — und dann spielt er Fußball.“ Ihr Sohn, das ist Thomas Broich, Spitzname Mozart, Protagonist des bemerkenswerten Dokumentarfilms „Tom meets Zizou — kein Sommermärchen“.
Der von Mama unterstellte Gegensatz ist Broichs Thema, es steuert seine Karriere, sorgt für seinen Ruf als „der andere Fußballprofi“.
Der hört Mozart und liest Bücher. Der betrachtet Fußball als Kunst und steht vor seinem Idol Zinedine Zidane „wie vor einem Gemälde“. Der sieht in seinen Pässen „Poetisches“ und liebt die mediale Aufmerksamkeit, die ihn später böse erschlägt.
Seit 2002 hat der Bonner Filmemacher Aljoscha Pause, der zuvor für seine Trilogie über Schwulenfeindlichkeit im Fußball mehrfach ausgezeichnet wurde, Broich für diese ganz andere Arbeit mit der Kamera begleitet.
Es sollte die Langzeitstudie eines reflektierten Fußballers werden, der während seiner Zeit in Mönchengladbach als großes Talent einer Fußball-Generation gilt. Und der schon 2004 bei Johannes B. Kerner im ZDF-„Sportstudio“ flegelt: „Ich habe keinen Bock, als Hoffnungsträger zu gelten.“
Pauses 130-Minuten-Werk — die Essenz aus 200 Stunden Rohmaterial und 40 Treffen — ist ein Psychogramm, ein Film über das Scheitern im Korsett Bundesliga, wo „alle so voller Angst sind“. Wo Leistung alles ist, wo alle nach oben müssen, „obwohl das naturgemäß nur ein Bruchteil schaffen kann“. Broich verachtet das.
Zuletzt in Nürnberg, zermürbt von Rückschlägen und Trainern, die ihn nicht verstehen, richtet er nicht einmal eine Wohnung ein: „Ich lebe in einer Stadt, in der ich nicht leben will, und spiele bei einem Verein, bei dem ich nicht spielen will.“
Trainerfreund Michael Oenning, zuerst Assistent in Gladbach, später Chef in Nürnberg, sagt: „Thomas scheitert auch ein Stück weit gerne. Er ist ein tragischer Held.“ Ein selbstempfundener Künstler „ohne Willensausdauer“, zu dessen Selbstinszenierung die Bereitschaft zu diesem Film gehört, in dem Wegbegleiter wie Christoph Daum, Berti Vogts und Udo Lattek zu Wort kommen.
Erst 12 000 Kilometer von der Heimat entfernt holt Broich 2011 seinen ersten Titel — als zweitbester Spieler der A-League bei den Brisbane Roars in Australien. Der Meistertitel rettet Pause die Dramaturgie. Broich blickt vor der Traumkulisse Australiens zurück auf seinen Weg des Scheiterns.
Der Verfall ist nie stringent, etwa wenn Broich mit dem 1. FC Köln aufsteigt und in einer Wohngemeinschaft bei Töpferkursen gute Zeiten erlebt. Aber er ist doch unvermeidlich, weil sein Ego letztlich jede mühsam angeeignete Stromlinienförmigkeit überlebt.