„Gnade“: Letzter deutscher Film im Berlinale-Wettbewerb
Berlin (dpa) - Aller guten Dinge sind drei: Mit Matthias Glasners „Gnade“ lief am Donnerstag der dritte und letzte deutsche Film im Wettbewerb der 62. Berlinale - und auch das am norwegischen Polarmeer spielende Drama mit Jürgen Vogel und Birgit Minichmayr in den Hauptrollen überzeugte.
Die anderen beiden Wettbewerbsbeiträge aus Deutschland waren auf dem Festival ebenfalls gut angekommen: Hans-Christian Schmids Familiendrama „Was bleibt“ und Christian Petzolds DDR-Geschichte „Barbara“, die sogar als heißer Kandidat für den Goldenen Bären gehandelt wird.
Glasner hatte vor sechs Jahren im Berlinale-Wettbewerb mit seinem Film „Der freie Wille“ geschockt, in dem Jürgen Vogel als brutaler Vergewaltiger zu sehen war. In „Gnade“ spielt Vogel nun den Familienvater Niels, der mit seiner Frau Maria (Minichmayr) und dem gemeinsamen Sohn nach Hammerfest ausgewandert ist. Niels hat dort einen lukrativen Posten in der Erdgas-Industrie. Maria arbeitet in einem Sterbehospiz. Das Leben verläuft in scheinbar ruhigen Bahnen, doch zwischen den Ehepartnern gibt es Spannungen - so weit von der Heimat entfernt, haben sie sich irgendwie auch voneinander entfremdet.
Eines Tages hat Maria auf der Heimfahrt einen Unfall. Als sie ein Polarlicht am Himmel bewundert, sieht sie einen Augenblick nicht auf die Straße - da geschieht das Unglück. Maria meint, etwas oder jemanden überfahren zu haben. Doch sie begeht Fahrerflucht und weiß nicht, ob sie die Kraft hat, sich zu stellen. Dieser Situation extremer Angst und Schuldgefühle ausgesetzt, sucht Maria Hilfe bei ihrem Mann. Das Paar muss nun nicht nur einen Weg finden, mit den Unfallfolgen umzugehen, sondern auch die eigene Beziehung hinterfragen.
Glasner fragt, ob der Mensch ohne Gnade leben kann. Eis und Schnee, das kalte Licht des Nordens dienen in seinen sehr klaren, einprägsamen Bildern als Metaphern, die der Regisseur aber nicht überstrapaziert. Das Ende des Films ist dabei vielleicht etwas zu versöhnlich ausgefallen. „Ich finde eine Geschichte immer dann spannend, wenn sie in die Grenzbereiche führt“, sagte Glaser im dpa-Interview. „Was macht uns als Menschen aus? Was hat uns hierhin geführt? Das Thema Gut oder Böse interessiert mich dabei nicht so sehr. Wer bin ich zu urteilen, was gut oder böse ist? Ich bin auch nur ein Mensch.“ Er finde Filme spannend, „in denen wir Reisen in unsere Abgründe machen“, meinte Glasner.
In drei sehr unterschiedlichen Stilen boten die deutschen Regisseure im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb Filme über Menschen in ungewöhnlichen Konfliktsituationen. Familie und Paarbeziehungen spielten eine große Rolle - ebenso wie in vielen anderen der insgesamt 18 Filme im Rennen um die Bären-Trophäen, die am Samstag vergeben werden.
Am vorletzten Wettbewerbstag standen auch Filme aus Ungarn und Dänemark auf dem Programm. Zwiespältige Gefühle hinterließ „Csak A Szél“ (Nur der Wind) von Bence Fliegauf. Er erzählt nach realen Ereignissen von einer Mordserie an Roma-Familien, stellt aber wenig Fragen zu den Hintergründen. In dem dänischen Kostümfilm „Die Königin und der Leibarzt“ von Nikolaj Arcel spielt „James Bond“-Bösewicht Mads Mikkelsen groß auf - er verkörpert den in die Politik strebenden Arzt von König Christian VII..