Götz George spielt Heinrich George: Fragen an den Übervater
War der Schauspieler Heinrich George ein Nazi? Sein Sohn Götz sucht Antworten, indem er ihn selbst spielt.
Berlin. Am Ende bleibt ihm keine Rolle, die ihn schützt. Kein raubeiniger Horst Schimanski steht bereit, der den Blick auf ihn selbst verstellt. In diesem Moment im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen ist er nur noch er selbst — Götz George (74), Sohn des Schauspielers Heinrich George, der 1946 eben dort in sowjetischer Haft starb. „Lass uns gehen, das ist hier kein schöner Ort“, sagt er zu seinem sieben Jahre älteren Bruder Jan, sichtlich berührt von der Trostlosigkeit des Ortes, an dem der letzte Vorhang für den Vater fiel.
Götz George hat sein Privatleben, sein Innerstes, immer bedeckt gehalten, gilt als schwieriger Gesprächspartner. Mit dem Fernsehfilm „George“ weicht er drastisch von seiner bisherigen Linie ab, indem er seinen Vater spielt. Ein schwieriges Unterfangen, denn nicht nur das Verhältnis zum Vater, der starb, als Götz erst acht Jahre alt war, ist emotional belastet. Auch die historisch-politische Dimension schwingt immer mit, weil Heinrich George im NS-Staat Karriere machte. Als Intendant des Berliner Schillertheaters prägte er die Bühnen, als Schauspieler wirkte er in vielen Propagandastreifen mit.
Um der historischen Dimension gerecht zu werden, montiert Buchautor und Regisseur Joachim Lang drei Ebenen: Er lässt Götz George den Vater spielen, dokumentiert die Begegnung der George-Brüder mit ihrer Familiengeschichte und lässt Heinrich George, wo es die Quellen zulassen, in Film- und Tondokumenten selbst sprechen. Die Methode, die bereits Heinrich Breloer in „Die Manns“ nutzte, erlaubt einen differenzierteren Blick auf die Person Heinrich Georges.
Denn letztlich geht es nicht darum, wer er war, sondern was. Dass er einer der größten Schauspieler seiner Generation war, ein Lebemann, ein Gemütsmensch, der auch poltern konnte, ist unbestritten. Goethes Götz von Berlichingen war ihm auf den mächtigen Leib geschrieben. Aber war er auch Nazi, Mitläufer oder gar ein Ignorant, den allein die Kunst interessierte?
Die Wahrheit ist nicht einfach zu fassen, wie der Film durch die Rolle des russischen Verhörspezialisten Bibler demonstriert. Sicher hat George mit dem Regime kooperiert. Doch wofür? Zum eigenen Ruhm, um weiter spielen zu können, um seine Schauspieler — darunter Gefährdete — zu schützen? Der Sohn bleibt hin- und hergerissen. „Das hat er clever gemacht“, sagt Götz George und meint die Figur des schützenden Intendanten. In der Rolle des Vaters zeigt er aber auch die Hilflosigkeit: „Wo soll ich denn sonst spielen, wenn nicht in Deutschland. In Hollywood gibt es doch keine Kultur.“
Der Film lässt Interpretationsspielraum, indem er kein abschließendes Urteil fällt. Den Rechtfertigungsversuchen des Sohnes und der Anerkennung der Freunde stehen die Durchhaltereden und Propagandafilme Georges in den letzten Kriegsmonaten gegenüber. Die Gewichtung bleibt dem Zuschauer überlassen.
Was hingegen eindeutig bleibt, ist der lange Schatten des zu früh verlorenen Vaters, den Jan „George“ und Götz „Vater“ nennt. „Warst halt immer höher. Warst besessener vom Spiel“, sagt Götz George. Obwohl er selbst einer der besten seines Fachs ist, schwingt darin neben dem Schmerz des Verlustes, vor allem der ewige Wunsch als Schauspieler genügen zu können mit. Und auch der Zweifel, dass es trotz allen Erfolgs dem Kunstbegriff des Vaters standhält.