Goldene Palme für Michael Haneke - Am Ende bleibt nur die Liebe
Michael Haneke gewinnt die Goldene Palme. Eine konsequente, wenn auch unoriginelle Entscheidung.
Cannes. Seine Favoritenrolle stand fest, nachdem sein Wettbewerbsbeitrag „Amour“ zum ersten Mal über die Leinwand gelaufen war. Gedreht in Frankreich, in französischer Sprache mit französischen Schauspielern, zeigt der 70-jährige Michael Haneke, vor welche Herausforderungen der nahende Tod die Liebe stellt.
In einem Wettbewerb, der wenig Überraschendes bot, erscheint diese Entscheidung folgerichtig. „Amour“ positioniert sich zwischen dem leicht konsumierbaren, konventionellen Kino, das vor allem die überwiegend enttäuschenden amerikanischen Beiträge boten, und den formal so experimentell und sperrigen Arbeiten von Léos Carax oder Carlos Reygadas.
Beide erzählen keine Geschichte, sondern spielen mit Assoziationen und inszenieren eigenwillige Bilder für ihre Visionen und Gedanken über das Leben. Dafür wurde der Mexikaner Reygadas mit dem Regiepreis belohnt.
Nach Geschichten über private Schicksalsschläge im ersten Teil des Festivals beschäftigten sich mehrere Filme mit dem verantwortungslosen Gebaren in der Finanzwelt — wie zum Beispiel David Cronenbergs Don DeLillo-Verfilmung „Cosmopolis“ mit „Twilight“-Star Robert Pattinson als Milliardär Eric Packer. In seinem Schutzpanzer, einer Stretchlimousine, fährt er durch Manhattan. Unterwegs steigen Frauen zum Sex, sein Arzt zum Check-up und verschiedene Gesprächspartner zu, mit denen er seine Gedanken austauscht. Nicht nur ist Pattinson mit dieser Charakterstudie eines zynischen Börsenzockers schauspielerisch überfordert. Auch bietet Cronenberg filmisch nicht mehr, als den Text des Romans in wechselnden Kulissen aufzublättern.
Ken Loach, der den Jurypreis erhielt, zeigt die Opfer der weltweiten Krise. In seiner Sozialkomödie „The Angel’s Share“ ziehen arbeits- und perspektivlose Jugendliche in Glasgow einen Whiskyraub à la „Ocean’s Eleven“ durch und verbessern zumindest kurzzeitig ihre Lage. Der Brite hat deutlich bessere Filme gedreht, engagiert und optimistisch ist er nach wie vor: Eine andere Welt sei möglich, erklärte er nach der Preisverleihung.
Schauspielerleistungen gab es viele attraktive — von Nicole Kidman in „The Paperboy“ über Margarethe Tiesel in „Paradies: Liebe“ bis zum gesamten Ensemble des Eröffnungsfilms „Moonrise Kingdom“. Den Dänen Mads Mikkelsen auszuzeichnen, war absehbar und gerechtfertigt. Er spielt in „Die Jagd“ einen zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs verdächtigten Erzieher mit großer Präsenz und Kraft.
Ein wenig aufregender Cannes-Jahrgang ist zu Ende. Dialoglastiges, Theaterhaftes, unkonzentriert Erzähltes und wenig Visuelles kennzeichnete die diesjährige Auswahl. Ein Kino, das mehr den Kopf anspricht, als die Sinne. Langfristig sollte sich das Festival neu orientieren. Denn Michael Haneke kann ja nicht immer gewinnen.