Guter Mensch der Kinowelt: Richard Attenborough ist tot
London (dpa) - Der Kampf Mahatma Gandhis gegen die britische Kolonialmacht, der Schrei nach Freiheit in Südafrikas schwarzer Bevölkerung, das Beschreiben des Unbeschreiblichen während des Zweiten Weltkriegs: Richard Attenborough war einer der großen Filmschaffenden im kommerzgesteuerten Hollywood.
Er verband Filmemachen mit einer politischen Aussage. Der überzeugte Sozialdemokrat, Kunstsammler und Fußball-Fan des Londoner Clubs FC Chelsea ist tot - er starb am Sonntag im Alter von 90 Jahren, wie sein Sohn bekanntgab. Seine letzten Jahre verbrachte der Mann mit dem weißen Vollbart im Altenheim.
„Gandhi“ war 1982 Attenboroughs großer Durchbruch als Regisseur. 20 Jahre lang trug er die Idee für den Film über den großen Freiheitskämpfer in sich. Der Lohn: Der Film gewann acht Oscars, darunter für die beste Regie und den besten Film. „Ich will unterhalten und das Publikum dabei auch zum Nachdenken anregen“, erklärte Attenborough einst.
Spätestens seit diesem Film war Attenborough in seiner Heimat eine unangreifbare Größe im kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben. Er traf Nelson Mandela, wurde mit Prinzessin Diana fotografiert. Für seine Freunde blieb er trotzdem schlicht „Dickie“. „Er gehörte zu den Menschen, über den noch nie jemand etwas Schlechtes gesagt hat“, heißt es in einem Nachruf der BBC.
Attenborough war neben seinem Filmschaffen ein großer Menschenfreund. Er unterstützte mehrere Wohltätigkeitsorganisationen. Die Queen schlug ihn auch dafür zum Ritter. Später wurde er auch zum „Life Peer“ gemacht, zum Mitglied des britischen Oberhauses auf Lebenszeit.
Der Sohn Richard knüpfte damit an die politische Gesinnung seines Vaters an, der als Universitätsrektor in Cambridge ein überzeugter Anhänger der Labour-Partei war. Der frühere britische Premierminister Tony Blair attestierte dem Filmemacher „eine totale Passion für die Würde des Menschen und für die Gleichheit aller“. Amtsinhalber David Cameron nannte ihn „einen der Großen der Filmwelt“. Regie-Kollege Steven Spielberg beteuerte, er stehe „in der endlosen Reihe derer, die ihn komplett bewundern“.
Attenboroughs politische Überzeugungen und sein Kampf für Gerechtigkeit spiegelten sich in seinem filmischen Werk. „Die Brücke von Arnheim“ (1977) gilt noch immer als einer der führenden Anti-Kriegs-Filme. Auch mit dem Anti-Apartheidsdrama „Cry Freedom“ (1987) machte Attenborough eines der wesentlichen politischen Probleme seiner Epoche zum Filmstoff. In „A Chorus Line“ (1985) spießte er das Showgeschäft und dessen Schattenseiten auf. Zu seinen bekannten Werken gehören zudem das filmische Porträt über Charlie Chaplin „Charlie“ (1992) und das Drama „In Love and War“ (1996) über die erste Liebe Ernest Hemingways.
Seine filmischen Anfänge hatte Attenborough jedoch vor der Kamera als Schauspieler gemacht. Seine erste große Rolle hatte er als psychopathischer Gangster „Pinky“ in „Brighton Rock“, das war 1947. Als bereits älteren Mann holte ihn Steven Spielberg noch einmal für sein Dinosaurier-Epos „Jurassic Park“ vor die Kamera, wo er - der Bruder des weltbekannten Tierfilmers David Attenborough - 1993 einen exzentrischen Milliardär gab.
Sein Enthusiasmus für die Schauspielerei hielt sich jedoch in Grenzen: Aus Frustration habe er ins Regiefach gewechselt, gestand er einmal. „Ich war in Filmen immer einer von den Typen, die nur auf den unteren Decks der Marine Ihrer Majestät mitspielen durften (...). Ich hatte ein so pausbäckiges Gesicht, dass ich als 25-Jähriger immer noch 15-Jährige spielen sollte.“
Attenborough galt bei Wegbegleitern stets als bescheiden. „Ich bin kein großartiger Regisseur, ich bin ein guter Regisseur“, antwortete er auf die Frage, wie man sich als „lebende Legende“ fühle.
Mehr als 50 Jahre lang war mit der Schauspielerin Sheila Sim verheiratet. Von Schicksalsschlägen blieb er jedoch nicht verschont: Seine älteste Tochter sowie deren Tochter und Schwiegermutter kamen 2004 bei dem Tsunami in Südostasien ums Leben.