Helen Mirren über ihre bisher schwierigste Rolle

Berlin (dpa) - Die Rolle der „Queen“ brachte Helen Mirren 2007 einen Oscar. Ihre neueste Filmfigur wirkt auf den ersten Blick weniger königlich.

In „Hinter der Tür“ spielt die 66-jährige Britin eine verschlossene und verhärmte Frau, die sich als fürsorgliche, aber herrschsüchtige Aushilfe um das Haus einer Budapester Schriftstellerin (gespielt von Martina Gedeck) kümmert.

„Hinter der Tür“ ist die Kinoverfilmung eines autobiografisch geprägten Romans der ungarischen Schriftstellerin Magda Szabó. Das kammerspielartige Geschehen erfordert vom Kinozuschauer Geduld für eine ruhige Erzählweise, belohnt aber mit dem „Gipfeltreffen“ zweier brillanter Schauspielerinnen.

Helen Mirren sieht in ihrer Figur der Haushälterin Emerenc keinen allzu großen Bruch zur Rolle der britischen Queen. Auch die Haushälterin habe doch etwas „Königlich-Würdevolles“, erklärte Mirren auf einer Pressekonferenz anlässlich der Deutschlandpremiere des Films in Berlin. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa verriet Mirren außerdem, für die Rolle auf eine ungewöhnliche Technik zurückgegriffen zu haben und dass das Theater für sie einst „eine Kirche“ gewesen ist.

Die Haushälterin Emerenc - mit ihrer zurückgezogenen, abweisenden Art - wie leicht oder schwer konnten Sie sich da hineinfühlen?

Helen Mirren: „Also ich würde nicht in einem Zimmer voller Katzen leben, der Geruch und alles, das könnte ich nicht. Und ich habe auch nicht so schlimme Dinge erlebt, wie Emerenc. Ich habe ja niemals Menschen auf der Straße an Laternen hängen gesehen oder Nachbarn, die abgeholt werden ins Konzentrationslager. Grundsätzlich konnte ich mich in ihre Art allerdings schon hineinfühlen. Aber eins ist auch wahr: Diese Rolle war für mich eine der herausforderndsten - vielleicht sogar die schwierigste, die ich je gespielt habe. Ich wusste erst gar nicht, wo ich mit ihr anfangen sollte. Und das Einzige, was mir dann einfiel, war mich quasi auszuleeren, nichts reinzutun in meinen Kopf, sondern eher alles herauszulassen. So konnte ich die ursprüngliche Basis des Menschseins als Grundlage für die Rolle finden.“

Sie arbeiten seit vielen Jahrzehnten im Film- und Theatergeschäft - inwiefern sind Sie heute eine andere Schauspielerin als früher?

Helen Mirren: „Ich habe mich auf jeden Fall verändert! Wissen Sie, wenn man älter wird, gewinnt man einige Dinge hinzu - zum Beispiel Wissen und Professionalität - andere Dinge gehen einem verloren. Zum Beispiel der Idealismus und die Leidenschaft. Als ich eine junge Schauspielerin war, war das Theater für mich buchstäblich eine Kirche. Ich habe an das Theater geglaubt, hielt es für eine absolut notwendige Kraft in der Welt. Ich fand es ganz wichtig, dass es Theater gibt, die einem das wahre Wesen des Menschen zeigen, inklusive seiner Schwächen. Daran glaube ich immer noch - aber ich selber will die Leute heute einfach nur unterhalten. Ich versuche, einfach einen guten Job zu machen und hoffe, dass die Sache erfolgreich wird. Diese frühere Leidenschaft habe ich verloren. Und mir macht das heute so mehr Spaß. Das ist ein Vorzug des Älterwerdens. Dass man manche Sachen, die einem früher ganz wichtig waren, einfach aufgeben kann.“

Die Rolle der „Queen“ hat Sie weltberühmt gemacht und Sie wirken selber immer sehr elegant, fast aristokratisch. Sind Sie tatsächlich ein Mensch, der viel auf Etikette gibt und genau weiß, welches Besteck zu welcher Speise benutzt werden muss?

Helen Mirren: „Also in solchen Sachen bin ich gar nicht gut! Ich weiß nie genau, welches Messer oder welche Gabel man wofür benutzt. Ich muss immer erst bei anderen abschauen, was die nehmen. Außerdem weiß ich nicht, auf welcher Seite das Brot für mich auf dem Tisch steht, links oder rechts? Ich nehme ständig das falsche Brot, also das von meinem Tischnachbarn. Der ist dann natürlich zu höflich, um etwas zu sagen. Stattdessen nimmt er dann auch das seines Nachbarn - und so geht das weiter rund um den Tisch - alles nur meinetwegen!(lacht) Und auch mit der richtigen Kleidung kenne ich mich schlecht aus. Als ich zum ersten Mal in Amerika war, um Werbung für eine Shakespeare-Rolle in einer Fernsehproduktion zu machen, da hatte ich zum Beispiel eine enge Hose und Cowboystiefel an - und ich dachte, ich seh' fantastisch aus! Die Presseleute ringsum haben mich völlig entgeistert angestarrt und mir dann irgendwann peinlich berührt angeboten, mir neue Kleidung zu kaufen, die besser zu einer Shakespeare-Darstellerin passen würde.“

Interview: Ronny Thorau, dpa