Helmut Dietl: „Vorsicht vor netten Leuten“
Helmut Dietl hat nach sieben Jahren einen neuen Film gedreht: „Zettl“ — über Macht, Geld und Sex im politischen Berlin.
Herr Dietl, ist die Wirklichkeit tatsächlich so schlimm, wie Sie sie in Ihrem Film „Zettl“ darstellen?
Dietl: Die Wirklichkeit ist viel düsterer als der Film. Ich habe ja drei Jahre in Berlin gelebt und diese Geschichte recherchiert. Ich behaupte nicht, dass alles, was wir in dem Film sehen, wirklich passiert ist. Es ist ein Gleichnis, aber es zeigt deutlich, worum es geht.
Würde die Affäre um Bundespräsident Wulff auch für einen Film taugen?
Dietl: Da haben sich die Maßstäbe sehr verschoben. Dass allen Ernstes eine Staatsaffäre entsteht aus so einem Häusel und den paar hundert Euro, die der Wulff sich für einen Kredit gespart hat, oder wegen irgendwelcher Kochbücher, die das Agrarministerium in Niedersachsen für 3411 Euro herausgegeben hat — dass solche Lappalien einen Skandal hergeben, das begreift allmählich niemand mehr. Wenn die Leute wüssten, was wirklich los ist . . .“
Wie sind Sie auf die Idee zu der Geschichte gekommen?
Dietl: Mit der Globalisierung und der New Economy hat sich die Welt in den vergangenen zehn, zwölf Jahren extrem verändert — und auch das Verhalten der Menschen. Es wird überall mit sehr harten Bandagen gekämpft: in den Medien, der Wirtschaft, der Politik. Die Geschichte hatte eigentlich zwei Pole: Franz Xaver Kroetz, der Baby Schimmerlos aus „Kir Royal“, sollte die alte Moral verkörpern und der junge Michael Herbig die Nichtmoral. Aber dann konnte ich mich mit Kroetz nicht über die Rolle einigen und habe die Geschichte auf den „Zettl“ hingeschrieben.
Sie gehen sehr streng mit den Menschen ins Gericht.
Dietl: Natürlich ist dieser Film nicht so harmlos, wie die Leute es heute von deutschen Lustspielen gewöhnt sind. Aber ich frage mich auch: Warum bin ich der einzige, der an solche Themen frontal rangeht? Wir haben in Amerika immer großartige Filme über die Exzesse der Wall Street, über die Politiker — bloß in Deutschland geht das nicht.
Aber ist Zynismus die richtige Art, das aufzugreifen?
Dietl: Es gibt Figuren in dem Film, die man durchaus zynisch nennen könnte. Aber daraus darf man doch keine Rückschlüsse auf den Macher ziehen. Ich finde es einfach komisch, wie sich diese Leute verhalten in ihrer Machtgier, in ihrer Sexgier. Ich finde, das Drehbuch ist nicht zynisch, sondern aus einer ironischen Distanz heraus geschrieben. Und sicherlich wird es kontrovers aufgenommen. Es wird Leute geben, die sagen, Gott sei Dank sagt einer mal die Wahrheit, und andere wollen das gar nicht wissen.
Besteht nicht die Gefahr, die Politik-Müdigkeit noch zu verstärken?
Dietl: Wirklich zynisch wäre, wenn man sagt, es hat alles eh keinen Zweck. Ich rede ja ungern von Botschaften, sonst wär’ ich Botschafter geworden. Aber ich glaube doch, dass es etwas Aufklärendes hat in dem Sinne: „Hey aufpassen, Leute! Lasst Euch das nicht gefallen.“ Ich nehme nicht umsonst einen sympathischen jungen Mann wie Michael Herbig als Hauptfigur. Das sind alles so furchtbar nette Leute, die dann die schlimmsten Sachen machen — an der Börse, in der Industrie, überall. Also Vorsicht vor den netten Leuten!
Sie haben von Götz George über Senta Berger und Dieter Hildebrandt bis Harald Schmidt eine Spitzencrew. Wie haben Sie die Leute zusammenbekommen?
Dietl: Ich glaube nicht, dass ich irgendjemanden zweimal einladen musste. Aber schwierig waren die Dreharbeiten. Ich habe ja auch wegen der Finanzierung verschoben und verschoben und verschoben, und dann gab’s natürlich Terminprobleme.
Wie kann es sein, dass sich ein Dietl um Geld sorgen muss?
Dietl: Das habe ich mich auch gefragt, aber es ist halt so. Es ist viel, viel schwieriger geworden mit der Finanzierung als früher. Es gibt ja inzwischen zahllose Leute, die Filme machen, und jeder will einen Teil vom Kuchen abhaben. Und ein Film wie „Zettl“ ist nicht billig, zehn Millionen sind schon ein Haufen Geld. ARD und ZDF haben übrigens sofort abgelehnt, als Sender mitzumachen.
Waren das politische Gründe? War ihnen die Geschichte zu heiß?
Dietl: Ja. Sie haben das immer so verklausuliert gesagt, aber das war’s eigentlich.