Interview: „Shakespeare und Comics haben vieles gemeinsam“
Der britische Schauspieler und Regisseur Kenneth Branagh gilt als einer der wichtigsten Shakespeare-Interpreten. Jetzt hat er den Comic „Thor“ verfilmt.
München. Kenneth Branagh gilt als einer der wichtigsten Shakespeare-Interpreten Großbritanniens — als Regisseur und Schauspieler, auf der Bühne und im Film. Jetzt hat er sich an ein ganz anderes Projekt herangewagt. Am Donnerstag kommt der 3D-Action-Kracher „Thor“ in Deutschland in die Kinos — eine Adaption der berühmten Marvel Comics. Branagh führte Regie.
Herr Branagh, erst Shakespeare, jetzt eine Comic-Verfilmung — ist das nicht ein sehr großer Schritt?
Branagh: Naja, die zentrale Geschichte in „Thor“ handelt von einem Prinzen und davon, ob er einen guten König abgeben wird oder nicht. Das weckt Erinnerungen an Henry V. Die Frage nach der Thronfolge stellt sich auch in Hamlet.
Außerdem bedienen sich sowohl Shakespeare als auch Stan Lee in den Marvel Comics alter Mythen anderer Völker. Shakespeare hat die Griechen und die Römer benutzt, Stan Lee die nordischen Mythen.
Haben Sie sich darum dazu entschlossen, diesen Film zu machen?
Branagh: Ich halte diesen Film für eine großartige Metapher für Männer — und auch Frauen —, die erwachsen werden. Es ist allerdings eine besonders männliche Geschichte, weil es auch darum geht, wie Thor sein Testosteron im Griff hat und wie er die Dinge bewältigt, die Männer eben bewältigen müssen.
Mir hat außerdem gefallen, dass Thor auf die Erde verbannt wird. Daran kann man sehr viel aufhängen — komische wie tragische Elemente und auch Romantik.
Die Bandbreite Ihrer Arbeit ist sehr groß. Warum reizt Sie immer wieder das Neue?
Branagh: Meine Mutter hat immer gesagt, ich kann nicht still sitzen. Und es gibt in mir sicher eine gewisse Unruhe. Die Dinge, die ich gemacht habe, haben bei allen Unterschieden ganz klar sehr viele Gemeinsamkeiten. Aber die Werkzeuge, mit denen die Geschichte erzählt wird, unterscheiden sich: schwarz-weiß oder jetzt 3D.
Ein Teil dieser ewigen Suche nach dem Neuen ist der Wunsch, es mir nicht zu bequem zu machen. Bei dieser Verfilmung eines Marvel Comics ist das ganz besonders der Fall, weil es so viele Fans gibt, die ihr Marvel-Empire schützen wollen.
Sie sind auch als Schauspieler immer sehr experimentierfreudig gewesen. Haben Sie jemals gedacht, Thor vielleicht selbst zu spielen?
Branagh: Nicht in einer Million Jahren! Aus sehr offensichtlichen Gründen wie Alter, Größe oder sehr vielen anderen Dingen. Außerdem ist meine Leidenschaft für die Schauspielerei in den vergangenen Jahren vor allem dadurch wieder geweckt worden, anderen dabei zuzusehen.
Ich habe mich so einzigartig privilegiert gefühlt, Anthony Hopkins und Natalie Portman beim Schauspielern zusehen zu können. Neben ihrem offensichtlichen Talent kann man ihre Erfahrung am Set quasi fühlen. Und zu sehen, wie sie und auch die beiden brillanten jungen Schauspieler Chris Hemsworth und Tom Hiddleston das gemacht haben, war für mich wirklich faszinierend.
Hatten Sie die Besetzung von Anfang an so geplant?
Branagh: Vor allem die Suche nach einem Thor hat sehr lange gedauert. Ich habe Leute aus Deutschland, Schweden, England, Irland — eigentlich aus der ganzen Welt — angesehen. Und ziemlich zum Schluss kam Chris dann rein, und wir sahen in ihm diese Bandbreite, die Thor zeigen muss.
Die physische Präsenz hatte er, und er war tapfer genug, am Anfang des Films arrogant zu sein und zur Mitte hin dann auch seine komische Seite zu zeigen. In dem zentralen Charakter geht es um Veränderung — und das konnte er glaubwürdig rüberbringen.