Interview: „Wohlstand hat auf uns eine hypnotische Wirkung“

Tilda Swinton spricht über Reichtum, ein „exotisches“ Privatleben und ihren neuen Film „I am love“, der morgen anläuft.

Frau Swinton, Sie spielen in "I am love" Emma Recchi, die in eine sehr reiche Industriellen-Dynastie eingeheiratet hat. Kannten Sie sich aus in diesem Milieu? Sie stammen ja selbst aus einer Adelsfamilie.

Swinton: Es kursiert die Vorstellung, ich sei in einem Märchenschloss aufgewachsen, mit goldenen Laken und Schwanenbrust zum Mittagessen. Aber das ist alles Phantasie, tut mir leid.

Swinton: Ziemlich unexotisch. In einem baufälligen, alten Haus, inmitten von Jungen, meinen drei Brüdern. Mein Vater war Soldat, meine Mutter die Frau eines Soldaten. Dazu viel schottisches Landleben, Spiele und Moorhühner im Sommer. Eine richtige Mädchenoption wurde mir nicht eröffnet. Irgendwann habe ich natürlich festgestellt, dass ich anders bin.

Swinton: Ich glaube, dieser Wohlstand hat eine hypnotische Wirkung auf uns. Die Regeln und Zeichen wirken wie eine Uniform. Man darf nur bestimmte Sachen tragen. Es müssen beispielsweise "Ferragamo"-Schuhe sein, oder Schmuck von "Damiani". Damit wollen wir dem Zuschauer zunächst einen Kick versetzen. Aber dann empfindet er all das hoffentlich als einengend und will auch fliehen, wie Emma.

Swinton: Bestimmte Gerüchte über mich möchte ich gerne ausräumen: Zum Beispiel, dass wir zu Hause wüste Orgien feiern. Es tut mir leid, so exotisch sind wir nicht. Vielleicht ist die Wahrheit viel exotischer, nämlich, dass wir alle gut miteinander befreundet sind. Ich habe Kinder mit einem Mann, und bin liiert mit einem anderen. Beide besitzen genug Größe, um zu wissen, dass das Leben weiter geht.

Swinton: Liebe bedeutet Aufrichtigkeit und Akzeptanz. Und gleichzeitig die bedingungslose Offenbarung dem anderen gegenüber. In dem Wissen, dass der andere nicht versucht, einen davon abzuhalten, man selbst zu sein. Auch zu wissen, dass wir im Grunde genommen allein sind, gehört dazu. Denn Einsamkeit ist der Schlüssel zu unserer Existenz. Um diese Form der wirklichen und offenen Liebe geht es uns in diesem Film. Der Ehemann ist dazu allerdings nicht in der Lage.

Swinton: Ich finde es schwierig, mich als Schauspielerin zu bezeichnen, weil ich nie eine werden wollte. Ich verfüge über kein Handwerk und bin auch nicht daran interessiert. Alles, was ich kann, ist, ein Kostüm anziehen und spielen.

Swinton: Nein. Es gibt anstrengenderes in meinem Leben, etwa als Produzentin das Geld für einen Film zusammen zu bekommen, mit Banken zu verhandeln, viel zu reisen oder genug Schlaf zu bekommen. Aber spielen? Das ist eine Gnade und macht Spaß.

Swinton: Ja, das konnte ich. Wir waren bis kurz vor seinem Tod in Kontakt, und ich habe das Gefühl, wir sind es immer noch. Er fehlt mir, aber er ist immer noch unter uns.