Historienepos Jürgen Vogel setzt als Ötzi Glanzpunkte in Locarno
Locarno (dpa) — Mord in der Steinzeit, auseinanderbrechende Familien in der Gegenwart, Einsamkeit, Lebensangst, Konkurrenzdruck: das Publikum des 70. Internationalen Filmfestivals in Locarno ist oft starkem Tobak ausgesetzt.
Der deutsche Schauspielstar Jürgen Vogel („Quellen des Lebens“) rauft und mordet sich beispielsweise durch die Steinzeit.
In „Iceman“ („Der Mann aus dem Eis“) spielt Jürgen Vogel den als „Ötzi“ bekannt gewordenen Steinzeitmenschen, dessen mumifizierte Leiche 1991 nach mehr als 5000 Jahren aus dem Eis der Ötztaler Alpen in Südtirol geborgen wurde. Der spannungsgeladene Film von Autor und Regisseur Felix Randau („Die Anruferin“) erzählt eine erfundene Geschichte um den Tod des Mannes.
Das aufwändige Historienepos fasziniert weniger mit der an zahllose Western erinnernden Story um Rache und Vergeltung, als durch die Rekonstruktion des Lebens vor Jahrtausenden. Der Film erreicht eine große emotionale Intensität, was vor allem dem wuchtigen Spiel von Jürgen Vogel zu verdanken ist.
Und er beeindruckt auch damit, dass mit dem Blick zurück aktuelle Fragen gestellt werden: Was macht die Würde des Menschen aus? Wie können Menschen unterschiedlichster Herkunft wirklich miteinander leben? Worin liegt der Sinn des Lebens? „Iceman“ gehört zum Programm der abendlichen Freiluftaufführungen auf der Piazza Grande von Locarno für oft mehr als 8000 Zuschauer. Am Wettbewerb um den „Goldenen Leoparden“ nimmt er nicht teil. Er hat aber die Chance, den begehrten Publikumspreis zu gewinnen.
Die Konkurrenz ist allerdings stark. Gut im Rennen um den Publikumspreis liegen ebenfalls der zweite deutsche Piazza-Beitrag „Drei Zinnen“, das französische Drama „Lola Pater“ und die italienische Komödie „Liebesgeschichten, die nicht von dieser Welt sind“. Auch im Wettbewerb um den Hauptpreis, den „Goldenen Leopard“, gibt es mehrere hoch gehandelte Filme. Was für die Qualität des Festivals spricht.
Leoparden-Favorit vieler Besucher ist die melancholische Komödie „Lucky“ aus den USA. Aber auch das formal ungewöhnliche Familien-Drama „Freiheit“ aus Deutschland und das düstere französisch-portugiesische Gesellschaftspanorama „9 Finger“ werden hoch gehandelt. Hingegen gelten Johanna Wokalek in „Freiheit“ und Harry Dean Stanton in „Lucky“ bisher unangefochten als Favoriten für die Auszeichnungen als beste Schauspieler. Die Jury gibt ihre Entscheidungen am 12. August bekannt.