Keiner lacht über von Triers „Dänen-Humor“

Kopenhagen/Cannes (dpa) - Lachen die Dänen gern über launige Sympathiebekundungen für Nazis und zweideutige Wortspiele über Juden?

Wohl eher nur „größenwahnsinnige und hemmungslose“ Egozentriker wie Lars von Trier, antwortete die Zeitung „Jyllands-Posten“ am Freitag, nachdem der Regisseur beim Filmfestival in Cannes seine Skandaläußerungen über Hitler, Nazis und Juden als Produkt heimischer Spaß-Kultur erklärt hatte: „Das ist dänischer Humor, den eigentlich nur Dänen verstehen.“

Dass Dänemarks international wohl bekanntester Künstler sich für Sätze wie „Ich verstehe Hitler (...) und ich sympathisiere mit ihm“ auch entschuldigt hatte, stimmte die Kommentatoren im eigenen Land wenig milder. Alle führenden Zeitungen fanden den Rauswurf von Triers durch die Festivalleitung richtig. „Man kann nur Sympathie empfinden für die Entscheidung, ihn zur persona non grata zu erklären“, schrieb „Berlingske Tidende“.

Fast als einziger sprang Kulturminister Per Stig Møller dem Regisseur bei: Der Rauswurf in Cannes sei angesichts der Entschuldigung eine Überreaktion. Die obligatorische Passantenbefragung fürs Fernsehen fiel ebenfalls eindeutig aus. Niemand konnte irgendeinen „dänischen“ Witz in den Trier-Äußerungen sehen:. „Er trampelt doch nur auf den Gefühlen vieler Menschen herum“, meinte eine junge Frau.

Von Trier dürfte eine andere Reaktion erwartet haben, denn tatsächlich gilt in Dänemark grenzenloser Sarkasmus als erlaubt und erwünscht. „Jyllands-Posten“ hatte die weltweit umstrittenen Mohammed-Karikaturen 2005 damit begründet, dass auch Muslime sich darin gewöhnen müssten, „wie alle anderen verhöhnt, verspottet und lächerlich gemacht zu werden“. Jetzt allerdings fand das Blatt: „Es muss auch für sogenannte Genies eine Grenze dafür geben, was an Dämlichkeit und Beleidigungen durchgehen kann.“

Niemand in Dänemark würde von Trier ernsthaft in die Nähe von Nazis rücken. Sein System, für einen neuen Film durch provokante Grenzüberschreitungen zu trommeln, ist seit zwei Jahrzehnten bekannt und meist als unterhaltsam „durchgegangen“. Der Regisseur provoziert auch ohne Öffentlichkeit ganz gern. Als ein ihm komplett unbekannter deutscher Journalist dem eiligen Trier beim Göteborger Filmfestival im Taxi mitfahren ließ und am Ende bezahlte, sagte der berühmte Däne: „Das ist auch angebracht nach dem, was zwischen uns im Krieg passiert ist.“