Kinostart: ,,Burn After Reading" - Wer ist hier der größte Depp?

Nach dem düsteren „No Country for Old Men“ kehren die Coen-Brüder mit „Burn After Reading“ ins komische Fach zurück.

Düsseldorf. Der Grund, warum hier alles aus dem Ruder läuft, ist eine Schönheits-OP. Linda Litzke (Frances McDormand) möchte sich grunderneuern lassen. Als Mitarbeiterin eines Fitnesscenters gehört es zu ihren Pflichten, in Form zu bleiben, ist sie fest überzeugt. Doch die Krankenkasse sieht das anders und verweigert ihr die Zahlung.

Dass ihr Kollege Chad (Brad Pitt) in der Umkleidekabine eine vergessene CD-Rom mit den Memoiren eines geschassten CIA-Agenten findet, ist für sie quasi der letzte Anker, ihren Traum von ewiger Jugend verwirklichen zu können. Zu zweit erpressen sie den vermeintlichen Geheimnisträger Osbourne Cox (John Malkovich), einen Quartalssäufer, der zu Hause von seiner gefühlskalten Gattin Katie (Tilda Swinton) mit psychologischer Kriegsführung klein gehalten wird.

Cox lässt die Amateur-Gangster allerdings auflaufen. Linda und Chad, so doof, wie sie sich als Erpresser anstellen, so unverfroren werden sie plötzlich, wenn’s ums Bare geht, wenden sich kurzerhand an die russische Botschaft. Doch auch hier gibt’s kein Geld. Dafür riechen die Ex-Arbeitgeber von Cox Lunte und verschlimmbessern die eigentlich harmlose Kriminette.

Es ist das alte Thema von Joel und Ethan Coen: Gier, befördert durch Beschränktheit, bringt das durchschnittliche Leben noch durchschnittlicherer Geister ins Wanken, bis die Situation außer Kontrolle gerät und deftig endet. Für eine Variation dieses Themas, den düsteren Thriller "No Country for Old Men", erhielten die introvertierten Brüder im Februar endlich den längst fälligen Oscar. Nun ist der Grundton wieder beschwingter, fast schon ein bisschen zotig, wie damals bei "Ein (un)möglicher Härtefall" (2003), als sie mit Catherine Zeta-Jones und George Clooney als verknallte Streithähne das Screwball-Genre wiederbelebten.

Ihre größte Freude dabei scheint immer zu sein, schauspielerische Schwergewichte und moderne Hollywood-Ikonen so doof, so schmierig, so unsympathisch wie nur eben möglich erscheinen zu lassen. Diesmal trifft es Brad Pitt, dessen Chad Feldheimer nur Muskelaufbau, House-Musik und Friseurbesuche im Kopf zu haben scheint. Und natürlich George Clooney, den Edel-Charmeur, das politisch gute Gewissen der Traumfabrik, der hier als sexbesessener Bonvivant Harry Pfarrer das Internet zur anonymen Kopulationsanbahnung nutzt.

Auch die vereinsamte Linda und die gelangweilte Katie gehen ihm ins Netz. Anders als die üblichen One-Night-Stands bleiben ihm beide erhalten: Linda, weil sie Harrys eigens zusammengeschweißte Sexspielzeuge im Keller großartig findet, Katie, weil sie mit ihrem Kontrollwahn auch die Affäre wie eine vollwertige Beziehung pflegen will.

Wunderbar lassen die Coens diese losen Fäden zu einer großen Tragödie heranreifen, deren Komik die Armseligkeit ihrer Hauptcharaktere ist. McDormand als zentraler Dreh- und Angelpunkt der Geschichte schafft es dabei, die himmelschreiende Lächerlichkeit ihrer Figur nie zur Karikatur verkommen zu lassen.

Man glaubt ihr die Verzweiflung, für den Job knackig bleiben zu wollen genauso wie die blinde Hoffnung daran, im Netz den Richtigen zu finden. Mal ist es reines Anlehnungsbedürfnis, das sie treibt, dann aber auch wieder die pure Geilheit. Hier zeigt das Dasein wieder seine hässliche Fratze und die Coens genießen es, sie bloßzustellen.