Komödie: Luftig-leichte Turbulenzen
Pedro Almodvar fliegt zurück in schräge Gefilde — hysterisches Personal inklusive.
Düsseldorf. Das will man an Bord eines Flugzeugs wirklich nicht hören. Im Film „Fliegende Liebende“, dem neuen Werk von Pedro Almodvar, markiert diese Ansage jedoch die Ausgangslage: „Verehrte Fluggäste, aufgrund eines kleinen technischen Problems werden wir in Kürze notlanden — falls wir es bis zum nächsten Flughafen schaffen sollten. Es besteht kein Grund zur Beunruhigung, aber ein Gebet könnte sicherlich nicht schaden. Meine Kollegen und ich werden versuchen, Ihnen den Flug so angenehm wie möglich zu gestalten. . .“
Nach einigen Jahren mit düsteren Filmen wie „Die Haut, in der ich wohne“ oder „Zerrissene Umarmungen“ hat Almodóvar in seine alten Gefilde zurückgefunden. „Ich habe diesen Film im selben Geist gedreht, wie ich in den 80er Jahren Filme gemacht habe“, sagte der spanische Regisseur dem französischen Magazin „Têtu“. „Ich wollte schon lange mal wieder eine Komödie drehen. Das war wie eine Portion Sauerstoff für mich.“
Und so findet sich der Zuschauer an Bord eines Fliegers der fiktiven Airline „Peninsula“ wieder, mit hysterischer Crew und exaltierten Passagieren. Als da wären: die ehemalige Filmdiva und Nebenerwerbs-Domina Norma (Cecilia Roth), die auch mit der „Nummer eins“, also dem König, etwas gehabt haben will, der Banker Señor Ms (Joe Luis Torrijo), der nach der Pleite seines Geldinstituts auf der Flucht ist, die parapsychologisch begabte Jungfrau Bruna (Lola Dueñas), die den Tod riechen kann, der mexikanische Auftragskiller (Jos Maria Yazpik) sowie ein Paar in den Flitterwochen.
Zur Entspannung der Atmosphäre führen die drei schwulen Flugbegleiter lippensynchron und entfesselt den 80er-Jahre-Hit „I’m So Excited“ von den Pointer Sisters auf, und in der Kabine wird hemmungslos geredet und rumgemacht. Die ganze Situation lässt sich als Sinnbild der aktuellen Krise Spaniens sehen: drohender Absturz, ruhiggestelltes Volk, eine Maschine, die im Kreis fliegt. „Auch wenn sie attraktiver sind als unsere Politiker stehen die Flugbegleiter, die die Passagiere betäuben, in diesem Film natürlich in gewisser Weise stellvertretend für die Mächtigen“, sagte Almodóvar.
Der 63-Jährige findet es nach eigener Aussage „schade“, dass er international fast der Einzige ist, in dessen Filmen es regelmäßig um sexuelle Identität geht - um Homo-, Bi- und Transsexuelle. Und das auch noch mit einer gewissen Leichtigkeit statt großer Problemschwere. „Ich finde es absurd, dass in unseren Gesellschaften Homosexualität wie ein Problem behandelt wird, denn es gibt wirklich ernstere und schlimmere Dinge auf dieser Welt.“
Flug 2549, der eigentlich nach Mexiko gehen soll, kommt nie über Spanien hinaus. In wunderbar satten Farben werden in dieser Maschine viel Alkohol und Meskalin konsumiert und Geheimnisse ausgeplaudert. Almodóvar spielt derart gekonnt mit Klischees, dass sie nicht nerven, sondern sich in luftiger Höhe in Luft aufzulösen scheinen.
„Der Flughafen, an dem wir gedreht haben — es ist der von Ciudad Real — ist ein wichtiges Element dieses Films“, sagte Almodóvar. „Er ist gigantisch und ein totaler Phantomflughafen. Das ist die längste Flughafenbahn Spaniens, aber es hoppeln nur Kaninchen darauf herum. Ein reines Produkt des Größenwahns der Regierenden, die es an die Wand gefahren haben.“
Ach ja: Antonio Banderas ist im Film an allem Schuld, was passiert. Der 52 Jahre alte Almodóvar-Star („Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“) ist vor dem Start als Techniker im Overall zu sehen, wie er am Flugzeug einen Bremsklotz nicht richtig vom Fahrwerk entfernt, weil seine Liebste (Penélope Cruz) mit dem Koffertransporter kommt und verrät, dass sie schwanger ist.
Fazit: „Fliegende Liebende“ ist lustig-luftig-leichtes Kino, das trotz alledem Tiefgang besitzt. Es geht um Liebe, Tod, Krankheit und Sex. Wen freizügige Dialoge erschrecken, der sollte diesen Film meiden. Alle anderen: Anschnallen bitte und guten Flug mit diesem schrägen Meisterwerk.