Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“ gewinnt Lola
Berlin (dpa) - Das erschütternde Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“ ist zum besten deutschen Film gekürt worden. Doch auch das Spektakel-Kino ging nicht leer aus: Roland Emmerichs „Anonymus“ holte die meisten Lolas.
Favorit „Barbara“ bekam nur einen Trostpreis.
Ein mutiger, unbequemer Film hat die Goldene Lola für den besten deutschen Film gewonnen: Andreas Dresens' schonungsloses Krebsdrama „Halt auf freier Strecke“ wurde am Freitagabend in Berlin mit dem 62. Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Das Werk erzählt von einem Familienvater, der einen Hirntumor hat und von seinen Angehörigen im Sterben begleitet wird. In der Hauptrolle ist Milan Peschel zu sehen, der als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde. Otto Mellies, der den Vater des Kranken spielt, wurde bester Nebendarsteller. Der 48-jährige Filmemacher Dresen nahm außerdem den Preis für die beste Regie entgegen.
Aber auch das Spektakel-Kino ging nicht leer aus. Roland Emmerichs aufwendiger, in Babelsberg gedrehter Shakespeare-Film „Anonymus“ räumte mit sechs Lolas die meisten Trophäen des Abends ab - allesamt aber in Nebenkategorien: Tongestaltung, Maskenbild, Szenenbild, Kostümbild, Schnitt und Kamera.
Mit Silber für den zweitbesten Film musste sich Regisseur Christian Petzold begnügen, dessen DDR-Drama „Barbara“ mit acht Nominierungen als Favorit gestartet war. Die Enttäuschung war Petzold anzusehen, der mit verschränkten Armen auf der Bühne stand, als seine Produzenten den einzigen Preis für „Barbara“ entgegennahmen.
Die Lola für die beste weibliche Hauptrolle ging an die erst 27-jährige Alina Levshin, die von der Ehrung überwältigt war. Sie spielt in David Wnendts Drama „Kriegerin“ eine junge Frau aus der Neonazi-Szene - eine furiose, kraftvolle und doch sensible Darstellung.
Die „Kriegerin“ gewann auch die Bronze-Lola in der Kategorie bester Film. Regisseur Wnendt erhielt zudem die Lola für das beste Drehbuch. Große Freude gab es bei Dagmar Manzel, die für ihre Rolle in „Die Unsichtbare“ die Lola als beste Nebendarstellerin erhielt.
Der Gewinnerfilm „Halt auf Strecke“, den in Deutschland bislang erst etwa 100 000 Kinogänger gesehen haben, hatte bereits bei den Filmfestspielen in Cannes den Hauptpreis der renommierten Reihe „Un certain regard“ sowie den Bayerischen Filmpreis gewonnen. Dresen recherchierte für sein schmerzliches, am Ende dennoch tröstliches Werk lange. Im Film spielen auch echte Ärzte und Sterbebegleiter mit. So gelang Dresen ein sehr authentischer Film, der nichts beschönigt und gerade deshalb Mut macht. Hauptdarsteller Peschel rannen Tränen über das Gesicht, als er den Preis entgegennahm.
„Das Sterben ist eines der wichtigsten Themen. Geburt und Sterben gehören zu unserem Lebensweg dazu. Wir neigen immer dazu, die Abgründe zu verdrängen“, sagt Dresen, dessen Vater vor zehn Jahren auch an einem Hirntumor gestorben ist. „Uns war auch wichtig zu zeigen, wie Menschen versuchen, mit so einer schicksalshaften Situation in Würde umzugehen“, so der Regisseur. „Die Beschäftigung mit dem Thema nimmt einem ein bisschen selber die Angst.“
Doch wenn auch ein Film mit sehr ernstem Thema der große Gewinner war, überwogen bei der Lola-Gala doch Freude und Ausgelassenheit, Glanz und Glamour. Sehr emotional wurde es, als der deutsche Hollywood-Kameramann Michael Ballhaus für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. „Genug, genug, genug“, rief der 76-Jährige („Goodfellas“, „Departed - Unter Feinden“), der nach langen Jahren in den USA seit einiger Zeit wieder in Berlin lebt, als der Applaus der 1800 Gala-Gäste nicht enden wollte.
Das gut gelaunte Moderatoren-Duo, die Schauspieler Jessica Schwarz und Elyas M'Barek, und Laudatoren wie Christoph Maria Herbst blickten mit viel Selbstironie auf die Filmbranche. Zum Beispiel auf die Tatsache, dass die nominierten Filme trotz aller künstlerischen Qualität nicht gerade Kassenknüller waren. Die wahren Publikumslieblinge wurden von den Mitgliedern der Deutschen Filmakademie nämlich auch dieses Mal wieder nicht ins Rennen um die Goldene Lola geschickt - unter anderem zwei sehr erfolgreiche Komödien: Matthias Schweighöfers „What a Man“ mit 1,8 Millionen Besuchern und Detlev Bucks „Rubbeldiekatz“ mit mehr als 1 Million Zuschauern.