Nanni Moretti schickt Papst auf die Couch
Der Film „Habemus Papam“ gilt als heißer Favorit für die Goldene Palme.
Cannes. Dass Nanni Moretti Silvio Berlusconi nicht zu seinen Freunden zählt, ist seit dem Film „Der Kaiman“ bekannt — eine Abrechnung des italienische Regisseur mit dem Ministerpräsidenten. Dem Papst ist Moretti besser gesinnt. In dem Film „Habemus Papam“, der am Freitag in Cannes im Wettbewerb um die Goldene Palme vorgestellt wurde, spielt der 57-Jährige nicht auf die jüngsten Skandale an. Er zeigt einen Menschen, der Angst hat, den Aufgaben nicht gewachsen zu sein und Hilfe bei einer Psychotherapeutin sucht. Der Film, der in Italien für Polemik sorgt, ist weder Anklage noch Satire, sondern ein Film zwischen Drama und Komödie. In Cannes wird er als Favorit für eine Palme gehandelt.
Der Papst ist tot, die Kardinäle wählen einen Nachfolger. Weißer Rauch steigt aus der Sixtinischen Kapelle auf. Massen, die auf dem Petersplatz jubeln und warten, dass der neue Papst auf den Balkon tritt. Vergeblich. Statt die Gläubigen zu segnen, erleidet der Papst einen Nervenzusammenbruch.
Kardinäle spielen Volleyball, tanzen und werden zu Schülern, die bei der Wahl des neuen Papstes auf den Zettel des Nachbarn spicken und Angst haben, gewählt zu werden. Das Konklave wird zu einer Art Klassenzimmer. „Ich weiß nicht, was während der Zeit passiert, in der die Kardinäle zusammenkommen, um einen neuen Papst zu wählen. Ich hatte einfach nur Lust, ein anderes Bild zu zeichnen“, sagte Moretti.
Mit Piccoli als Papst hat der Regisseur eine Ikone des französischen Films vor die Kamera geholt. Der 85-Jährige zeigt eine meisterliche Leistung. Auf seinen Schultern ruht der dramatische Teil des Films: Aus Angst vor der Verantwortung flieht der neue Papst aus dem Vatikan, sucht Hilfe bei einer Psychotherapeutin, irrt ziellos durch Rom. Piccolis Mimenspiel genügt, um die Seelenkämpfe eines Menschen zu zeigen, der nicht den Glauben an Gott verloren hat, sondern an sich selbst.
Moretti überrascht. Denn sein Film will keine Kriegserklärung an den Vatikan sein. Im Gegenteil. „Ich wollte den Vatikan und den Papst menschlicher machen.“ Vielmehr kritisiert er den Druck der Öffentlichkeit. dpa