Nine: Dolce Vita und Sinnkrise
Rob Marshall macht „Nine“ zu einer uninspirierten Nummernrevue mit vielen Stars.
Die Stars des Musicals "Nine" sollten den letzten Berlinale-Tagen noch etwas Glanz verleihen. Doch weder Penélope Cruz noch Daniel Day-Lewis ließen sich auf dem roten Teppich blicken. Sie werden gewusst haben, warum. Denn der Film ist auf dem Festival genauso gefloppt wie zuvor in den USA.
Dabei besitzt "Nine" alle Zutaten für einen echten Kassenhit: ein erfolgreiches Musical als Vorlage, ein interessantes Thema und jede Menge Stars. Doch manchmal nutzt alles nichts. Regisseur Rob Marshall, der mit der Musical-Verfilmung "Chicago" diverse Oscars abräumen konnte, scheitert diesmal und macht aus "Nine" eine uninspirierte Nummernrevue, bei der man sich so manches Mal für die Stars fremdschämen muss.
Daniel Day-Lewis spielt die Hauptrolle, den an Federico Fellini und seinen Film "81/2" angelehnten Guido Contini. Er befindet sich in einer Krise, einer allumfassenden Lebens-, Sinn- und Ehekrise. Trotzdem gibt er zu Beginn noch eine Pressekonferenz, auf der er seinen neuen Film "Italia" ankündigt, ohne zu wissen, worum es darin geht. Traum und Realität überlagern sich: Immer wieder flüchtet Guido in seinen Tagträumen an ein Filmset, das seinen Wünschen und Erinnerungen ein (antikes) Forum bietet.
Hier treten alle Frauen an, die sein Leben momentan kompliziert machen: seine Frau (Marion Cotillard), seine Geliebte (Penélope Cruz), seine verstorbene Mutter (Sophia Loren), seine Muse (Nicole Kidman), seine Kostümbildnerin und Mentorin Lilli (Judi Dench), eine kesse Vogue-Reporterin (Kate Hudson) und eine Prostituierte (Stacy Ferguson, Fergie von den Black Eyed Peas), an die er sich aus seiner Kindheit erinnert.
Sie alle tanzen und singen für ihn auf der Bühne seiner geschundenen Seele. Lasziv räkeln sie sich vor ihm, entblößen sich bis zur absoluten Schamgrenze. Rob Marshall inszeniert das Ganze wie einen flirrenden Erotik-Clip: schwarz-weiße und farbige Aufnahmen werden wild aneinandergeschnitten, um Dynamik zu suggerieren. Doch über oberflächliches Gehopse kommt die Choreografie nicht hinaus. Nur wenige der Songs entwickeln wirkliche Ohrwurmqualitäten. Schade um die guten Darsteller, die in ihrer Überzahl allerdings den Film fast erdrücken.
Gerade Daniel Day-Lewis bemüht sich redlich, seiner Figur mit sanft-italienischem Akzent und Sorgenfalten auf der Stirn etwas Tiefe zu geben. Doch auch er scheitert an dieser unentschiedenen Inszenierung, die keinen rechten Ton findet: komisch, tragisch, melodramatisch oder doch ironisch? Die Regie zelebriert zudem allzu klischeehaftes Dolce Vita: Das Italien der 60er Jahre wirkt wie aus einem Reiseprospekt, an dem man sich schnell satt sieht. Die Kostümbildnerin Lilli sagt einmal zu Guido: Regieführen sei einfach und schließlich nichts anderes als eine Abfolge von Ja- oder Nein-Entscheidungen. Doch manchmal können eben fast alle Entscheidungen die falschen sein.
Wertung: zwei von fünf Punkten