Traumhafte Berlin-Premiere
Für 41 Jugendliche, die in „Tanzträume“ vor laufender Kamera erwachsen werden, war die Berlinale ein großes Abenteuer.
Berlin. Es gibt Geschichten, die kein Drehbuchautor besser erfinden könnte. Joy Wonnenberg erlebt so eine. Die 19-Jährige weiß, was Kinobesucher wollen: Sie verkauft Popcorn im Wuppertaler Cinemaxx. Natürlich nur, wenn sie nicht gerade selbst auf der Leinwand zu sehen ist.
Denn die Ronsdorfer Schülerin, die vor laufender Kamera "Tanzträume" erlebt hat und nun eine Hauptrolle in Anne Linsels gleichnamigem Dokumentarfilm spielt, ist auf dem besten Weg dorthin: Sie steht vor dem roten Teppich, wartet mit einer süßen schwarzen Schleife im Haar, bis sie auf Anweisung fürsorglicher Berlinale-Betreuer losflanieren darf, und ist so aufgeregt, wie es nur Teenager vor dem ersten Rendezvous sind - dafür zittert sie in der Kälte aber auch wie eine ängstliche Patientin, die nicht weiß, was auf sie zukommt, wenn sie gleich zum Zahnarzt muss.
Es ist ja auch eine Premiere, die eine Popcorn-Verkäuferin nicht jeden Tag erlebt. Die Kleiderfrage hat sie zuletzt intensiv beschäftigt - genauso wie die Überlegung, wer so alles zu einer Uraufführung kommt, welche Medien da sind, was sie nach der Vorstellung wohl gefragt wird.
Die Antwort gibt’s in Berlin. Denn im Friedrichstadtpalast werden "Tanzträume" wahr - vor 1500 begeisterten Zuschauern, die während der Vorführung die ganze Palette allzu menschlicher Gefühle erleben, mal herzhaft lachen, mal ernsthaft mitfiebern.
Konzentriert und gleichzeitig heiter ging es auch bei den "Kontakthof"-Proben in Wuppertal zu. Dort hat Anne Linsel 41 Jugendliche hautnah begleitet - von den ersten ungeschickten Koordinationsversuchen bis zur umjubelten Bühnen-Premiere im November 2008. Weil die Regisseurin Schritt für Schritt das Vertrauen der Pina-Bausch-Schützlinge gewinnen konnte, ist ihr Film mehr als nur ein Probenbericht. Er zeigt mal naive, mal nachdenkliche Schüler an der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt, zwischen Selbstzweifeln und Ehrgeiz, Liebeskummer und Lebenslust.
Während sich die echten Berlinale-Stars aus Hollywood mit Delikatessen verwöhnen lassen, werden die Wuppertaler stilgerecht erwartet. Im Kant Kino, der nächsten Station nach dem Friedrichstadtpalast, gibt es Popcorn für alle - nur für Joy nicht. Die 19-Jährige verzichtet dankend.
Während der Bus schon auf die Rückfahrt ins bergische "Hollywood" wartet, denkt sie bereits daran, dass sie am 7. März freinehmen muss. Dann lockt der nächste rote Teppich: Wuppertal-Premiere feiert der Film in "ihrem" Cinemaxx. Und an diesem Tag will die 19-Jährige garantiert nicht hinter der Popcorn-Theke stehen.