Monster und Heilige Die Berlinale und die Frauen

Berlin (dpa) - Sie ballern mit der Maschinenpistole in die schwedische Landschaft oder fahren mit dem Mercedes durch Paraguay. Vom kleinen Mädchen auf Sardinien bis zur großen Romy Schneider - an Frauenfiguren ist bei der Berlinale kein Mangel.

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Männer kommen trottelig daher: So wie Robert Pattinson, der sich als Westernheld mit seiner Gitarre verheddert. Hinter der Kamera sieht es beim Frauenfaktor noch anders aus: Nur vier von 19 Filmen im Rennen um die Bärentrophäen kommen von Regisseurinnen.

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Dass die Gleichberechtigung und die Debatte um Macht, Gewalt und sexuellen Missbrauch bei dem Filmfestival ein großes Thema wird, das war schon vorher klar. Stichwort MeToo. Moderatorin Anke Engelke begrüßte das Berlinale-Publikum so: „Frauen und Männer zusammen in einem Raum - wir trauen uns was!“ Von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) kamen kämpferische Töne: „Macht und Angst waren viel zu lange stille Komplizen.“ Künftig soll es in der Branche eine Anlaufstelle für Opfer von Missbrauch geben.

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Es gab auch Filme, die es wegen laufender Vorwürfe nicht auf das Festival geschafft hatten. Titel und Namen nannte Berlinale-Chef Dieter Kosslick nicht. Eine bewusste Einladung bekam der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk, der sich in Berlin zu Gewaltvorwürfen äußerte („Ich trage dafür die Verantwortung.“). Eine südkoreanische Schauspielerin hatte dem Regisseur vorgehalten, sie bei den Arbeiten zum Film „Moebius“ 2013 mit Gewalt zu nicht im Drehbuch enthaltenen Sexszenen gezwungen zu haben. Kosslick hatte darauf hingewiesen, dass ein koreanisches Gericht den Vorwurf der sexuellen Nötigung mangels Beweisen zurückgewiesen habe. So lief in einer Nebenreihe der aktuelle Film des Koreaners.

Es machen sich aber auch Ermüdungserscheinungen breit. Hollywood-Star Bill Murray winkte nur ab und ging ganz schnell weg, als ein Fernsehreporter ihn am roten Teppich zur MeToo-Debatte befragen wollte. Manche Filmfrau ist vom „Riesenkrampf“ genervt und will nicht mehr darüber sprechen. Die darüber sprechen wollen, bekommen bei dem Festival viel Gelegenheit - so wie bei einer großen Podiumsdiskussion im Tipi-Zelt in der Nähe des Kanzleramts. Außerhalb des Wettbewerbs laufen auch mehr als 100 Filme von Frauen auf der Berlinale.

Im Aufwind ist das Bündnis Pro Quote Film, das auf eine faire Verteilung und andere Rollenbilder pocht. „Die Lebenswirklichkeit von Frauen wird nicht abgebildet“, sagt Vorstand Barbara Rohm. Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai (50) kritisiert, dass Frauen ab 35 von der Bildfläche verschwänden. Beim ZDF, so macht die stellvertretende Programmdirektorin Heike Hempel deutlich, wird daran gearbeitet, dass es mehr Geschichten „für Erwachsene“ geben soll.

Tabatabai („Letzte Spur Berlin) wendet sich auch gegen kritische Stimmen, die von der Debatte um sexuellen Missbrauch genervt sind. „Wie kann man eigentlich im Ernst sagen "Ich kann's nicht hören, wenn du mir von deinem Missbrauch erzählst"?“, sagte Tabatabai. Genauso albern sei es, wenn Leute jetzt behaupteten, sie könnten Frauen keine Komplimente mehr machen oder hätten Angst, dass eine Meinungsdiktatur herrsche. Welcher Freiheit werde denn hinterher getrauert: „Der Freiheit, Zoten zu reißen über Frauen oder Schwulenwitze zu machen?“

Schauspielerin Natalia Wörner (50, „Die Diplomatin“) ist gegen einen fixen Regelkodex am Filmset. Das sei nicht umsetzbar, findet sie, weil es in künstlerische Prozesse hineinwirken würde. Mit Blick auf die Forderung, angesichts der MeToo-Debatte einen schwarzen statt eines roten Teppichs auszurollen, meinte sie: „Es ist unser Bewusstsein, das sich verändern muss - und nicht die Farbe des Teppichs.“

Hans-Werner Meyer vom Bundesverband Schauspiel erlebt die Debatte nicht als Verkrampfung. „Ich empfinde es nur als Befreiung, dass darüber geredet werden kann.“ Die Gleichstellung ist für ihn nicht allein die Lösung. „Machtmissbrauch ist kein männliches Problem, das gibt es auch bei Frauen“, sagt Meyer (53, „Letzte Spur Berlin“). Er selbst habe das als junger Schauspieler erlebt. Er zitiert den Schriftsteller Martin Walser: Macht sei immer dann gefährlich, wenn sie unkontrollierbar sei. „Wir sind alle Monster und Heilige.“