Regisseur Dominik Graf: Die Filmpremiere als Fiebertraum
Dominik Graf ist ins 18. Jahrhundert abgetaucht. In Berlin stellte der Regisseur sein Kostümdrama über Friedrich Schiller vor.
Berlin. Der Regisseur Dominik Graf (61, „Im Angesicht des Verbrechens“) hat bei der Berlinale das Blitzlichtgewitter schon hinter sich. Er war beim Festival nach George Clooneys Film an der Reihe. Im Wettbewerb der Filmfestspiele stellte Graf sein 170 Minuten langes Kostümdrama „Die geliebten Schwestern“ vor, das im Juli in die Kinos kommt. Die Geschichte handelt vom Dichter Friedrich Schiller und seiner Liebe zu den Schwestern Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld. Im Interview erzählt Graf, wie die Festivalpremiere war, an wen ihn die Dreiecksgeschichte erinnert und warum ihm die Schiller-Experten auf den Pelz rücken könnten.
Herr Graf, wie haben Sie die Berlinale-Premiere erlebt?
Dominik Graf: Als Regisseur ist das immer wie eine Art Fiebertraum. Du sitzt da drin, der Film geschieht, man kennt ihn auswendig, trotzdem ist er mit 1000 Leuten im Raum wieder völlig neu anzusehen. Dann passieren immer unvorhergesehene Sachen. Gestern ging plötzlich mitten im Film zehn Minuten lang das Licht an. Außerdem haben wir viel zu spät angefangen, weil vorher George Clooney so lange am roten Teppich poussiert hat.
Wie verfolgen Sie persönlich das Kritiker-Echo?
Antwort: Ich bekomme es mit, und picke mir aus den Kritiken das heraus, bei dem ich mir sage: Da kann ich etwas lernen. Entweder über Kritiker oder über meinen Film.
Wie haben Sie es geschafft, die jungen Schauspieler für Schiller zu begeistern, eine Generation, denen die Klassiker in der Schule oft verleidet wurden?
Graf: Wenn sich die Schauspieler in so eine vergangene Welt einleben, nehmen sie die Sprache der Dialoge mit als die stärkste Form der Verkleidung. Das ist fast noch stärker als eine Perücke oder ein Kostüm. Wenn die Schauspieler die Sprache adaptieren — an den Dialogen haben wir über Tage hinweg gearbeitet — dann formt sich das Bewusstsein für die Rollen und Figuren.
Die Utopie einer Liebe zu dritt: Nehmen Sie Schiller ab, dass er wirklich zwei Schwestern geliebt hat?
Graf: Ich glaube, dass er diese beiden Schwestern jede für die Rolle, die sie in seinen Vorstellungen eingenommen hat, geliebt hat. Das habe ich auch versucht zu zeigen. Schiller hat die beiden wie zwei Madonnen in das dafür vorgesehene Gehäuse gestellt. Das hat ihm ermöglicht, die eine so und die andere vielleicht anders zu lieben.
Zwei Schwestern lieben einen Mann — kann das auch in Wirklichkeit gehen?
Graf: Warum nicht? Ich erinnere mich gerade an eine sehr lustige Episode im Internat, da waren zwei Zwillingsschwestern in denselben Mann verliebt. Das hat zu absurden Verwechslungen geführt, vor allem nachts bei dunklen Partys.
Warum sind Sie selbst im Film der Erzähler?
Graf: Weil ich eine so genaue Vorstellung hatte, wie das klingen muss, dass ich keinen Sprecher belästigen wollte. Ich bin zwar ein Sprech-Laie, hatte aber trotzdem den Eindruck, dass ich mich einmischen muss. Wie ein Regisseur, der in der Manege versucht, die Zügel in der Hand zu behalten, auch wenn sie ihm längst entglitten sind.
Wie tief sind Sie in die Literatur über Schiller eingetaucht? Da gibt es ja eine große Fachwelt.
Graf: Es gibt eine Strickleiter von Events bei den drei Figuren, die man über die 13 erzählten Jahre herabgehen kann. Die habe ich aber manchmal durcheinander gewürfelt, weil ich es aus dramaturgischen Gesichtspunkten spannender fand. Insofern wird mir die Schillergemeinde vielleicht auf den Pelz rücken. Aber ich dachte mir: Ich mache es jetzt mal so. Eine andere Entschuldigung habe ich nicht.