Regisseur Wim Wenders für Oscar nominiert: „Ich sehe Pinas Lächeln“
Regisseur Wim Wenders über die Oscar-Nominierung für „Pina“, seinen Film über das Wuppertaler Tanztheater.
Düsseldorf. Herzlichen Glückwunsch, Herr Wenders. Wie geht es Ihnen mit der Oscar-Nominierung in der Kategorie Dokumentation?
Wenders: Ich habe mich wie Bolle gefreut und fürchterlich viele SMS geschrieben.
Sie betreten mit Ihrer Arbeit häufig künstlerisches und technisches Neuland, in diesem Film ist das besonders ausgeprägt. Gab es bei den Dreharbeiten oder beim Schnitt einen Zeitpunkt, an dem Sie merkten: Das wird richtig, richtig gut? Oder überrascht Sie die Welle des Erfolges noch immer, auf der „Pina“ seit einem Jahr schwimmt?
Wenders: So lange habe ich noch keinen Film geschnitten. Eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis ich eine Form gefunden habe. Dann habe ich den Tänzern den Film gezeigt und gemerkt: „Das wird etwas Besonderes.“ Denn es war hochemotional — ein tränenreiches Ereignis, aber der Film macht zugleich froh. Und diesen schönen positiven Sog habe ich immer wieder festgestellt, wenn ich in Vorführungen mit Publikum gesessen habe.
Wird Ihnen das nie langweilig?
Wenders: Zuletzt war ich bei einer ganzen Reihe von Vorführungen zwischen New York und Los Angeles, weil der Film in den USA angelaufen ist. Und ich bin es nicht satt geworden.
Macht so ein Erfolg auch ein bisschen benommen? Wie lange dauert es, bis Sie ihren Kopf frei bekommen für neue Projekte?
Wenders: Ich schreibe seit zwei Jahren, also schon während der Endphase der Arbeit an „Pina“, an einem neuen Drehbuch. Ich musste also nicht ganz frisch aus den Puschen kommen.
Wird das wieder etwas Dokumentarisches?
Wenders: Nein, eine Familiengeschichte mit dem Titel „Everything will be fine“.
Sie haben zahlreiche große Preise bekommen, waren im Jahr 2000 mit „Buena Vista Social Club“ auch schon für den Oscar nominiert — wie nervös werden Sie bis zur Verleihung am 26. Februar?
Wenders: Ich werde auf jeden Fall bald nach Amerika fahren, an vielen Vorführungen teilnehmen und Interviews geben. Aber ich glaube, Nervosität hilft gar nicht weiter. Wenn man etwas nicht ändern kann, muss man es einfach aushalten. Und am Abend der Verleihung sehe ich dann, wie sehr die Knie schlottern.
Wie wichtig wäre ein Oscar für den finanziellen Erfolg?
Wenders: Vor allem in den USA dürfte sich die Nominierung bemerkbar machen. Auch für die europaweite DVD-Auswertung ist das sicher nicht schlecht.
Der Film ist ja jetzt schon ein finanzieller Erfolg. Hätten Sie je damit gerechnet?
Wenders: Damit kann man nicht rechnen. Wenn man damit rechnet, passiert es nie. Wenn man nicht damit rechnet, passiert es hin und wieder.
Bleibt bei aller Freude auch ein leises Bedauern, dass es mit der zweiten Nominierung, in der Kategorie bester fremdsprachiger Film, nicht geklappt hat?
Wenders: Tja, in der Kategorie waren wir eigentlich viel näher dran — von mehr als 100 eingereichten Filmen aus aller Welt schon unter den letzten neun. Auf jeden Fall war es eine kühne Entscheidung der deutschen Auswahlkommission, uns zu nominieren.
Können Sie sich vorstellen, was Pina Bausch zu der Nominierung gesagt hätte?
Wenders: Ich kann Pinas Lächeln genau vor mir sehen. Und weil ich sie oft genug umarmt habe, weiß ich auch, wie sich das angefühlt hätte.