Schauspieler Max Irons: Lippen in Großaufnahme - "das war gruselig"

Er ist blond, ist 25 Jahre jung und hat ein wenig Ähnlichkeit mit Prinz William. Max Irons, spielt in „Red Riding Hood“, einer modernen Rotkäppchen-Verfilmung von „Twilight“-Regisseurin Catherine Hardwicke, seine bislang größte Rolle. Gut möglich, dass der Sohn von Jeremy Irons damit seinen Durchbruch erlebt.

Max, wussten Sie immer schon, dass Sie Schauspieler werden wollten? Oder gab es als Sohn von Jeremy Irons und Sinead Cusack gar keinen Weg?
Obwohl der Job bei mir in der Familie liegt, ist mir der Gedanke erst gekommen, als ich sechzehn war. Zuvor wollte ich Kampfjet-Pilot werden, bis mir aufging, dass ich dann ja bereit sein müsste, Menschen zu töten. Also kam das doch nicht infrage.

Standen Ihnen mit Ihren Namen dann die Türen offen?
Ich wäre fast gescheitert. Ich war Legastheniker, deshalb war das Vorsprechen für mich ein Albtraum. Wenn es hieß: „Hier ist ein Text — führ’ uns den doch mal vor!“, ging das eben nicht. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich traute, den Leuten zu sagen, dass ich den Text erst in einer ruhigen Ecke lernen muss, bevor ich vorsprechen kann. Aber ab dann war Spielen das Größte für mich.

Hat Ihr Vater Sie zu diesem Beruf ermutigt? Oder Ihnen Ratschläge gegeben?
Nein! Das ist so, als würden einem die Eltern Fahrunterricht erteilen. Man weiß zwar, dass sie Recht haben, aber man will nicht auf sie hören. Er hat mich aber vor der Kehrseite dieses Berufs gewarnt, die geschäftlichen Aspekte.

Wie kamen Sie zu dieser Rolle, in dem nicht nur ein Werwolf, sondern auch Julie Christie und Gary Oldman mitwirken?
Es ist Glück sagen, in so einem Film wie diesem zu landen und das gleich am Anfang meiner Karriere. Es war aber auch harte Arbeit. Fünf Mal hat Regisseurin Catherine Hardwicke mich vorsprechen lassen, u.a. gab’s zwei ganz furchtbare Probeaufnahmen in Los Angeles. Das war fast wie bei den Castingshows im Fernsehen! In England saßen wir ganz konzentriert in einem Raum und wünschten einander Glück, aber in L.A. fand ich mich mit zwanzig anderen Schauspielern wieder, die sich gegenseitig hochpushten, alle mit fabelhaft weißen Zähnen, muskelbepackt und vor Selbstbewusstsein strotzend. Das war etwas bizarr.

Sind Sie denn nicht so kompetitiv veranlagt wie Ihre Kollegen?
Ich verfüge gar nicht über ausreichend Energie, um so wettbewerbsorientiert zu sein. Die meiste Energie verwende ich darauf, nervös zu sein!

Catherine Hardwicke ist dafür berüchtigt, die Chemie zwischen ihren Schauspielern gleich zu testen - mit Kussszenen. Wussten Sie davon?
Gott sei Dank nicht! Genau so wenig, dass Amanda Seyfried bei den Castings dabei ist. Plötzlich marschierte sie zur Tür hinein — das Mädchen, das gerade auf jedem Bus in London zu sehen war, weil zwei Filme mit ihr herauskamen. Und dann sollte ich auch noch mit ihr herumknutschen!

Und? Wie war’s?
Die meiste Zeit seines Lebens macht man sich Gedanken, was dem Mädchen wohl gefällt. Plötzlich macht man sich Gedanken, wie die anderen den Kuss finden - vor allem Regisseur und Kameramann, der deine Lippen in Großaufnahme zeigt. Das war gruselig.

Amanda Seyfried ist für ihren speziellen Humor bekannt. Hat Sie sie eingeschüchtert?
Am Anfang. Sie ist ein Kaliber für sich. Vorhin hat sie mir einen Anstecker geschenkt und darauf bestanden, dass ich ihn jetzt trage. Er ist nicht jugendfrei. (holt den Stecker aus seiner Jackentasche: „Wichser“.) Das ist ein ziemlich gutes Beispiel für ihren Humor!

Wie war denn mit Schauspiellegende Gary Oldman?
Gary ist erstaunlich. Und er ist Engländer, da hatten wir natürlich einen Draht zueinander, unter all den Amis. Am ersten Drehtag ist er in seinem violetten Samtumhang durchs Studio gelaufen und hat dabei seinen Text gesungen oder lauthals gebrüllt. Die 200 Leute der Drew haben ihn überhaupt nicht gestört. Er hatte einfach Spaß am Spielen. Mit jemandem zu arbeiten, der zu keiner Zeit fürchtet, einen Narren aus sich zu machen, ist aufregend!

Catherine Hardwicke gilt nicht erst seit „Twilight“ als Spezialistin für Jungendfilme. Wie war sie als Regisseurin?
Toll und verrückt, aber genau deswegen lieben Schauspieler sie. Sie verhält sich wie ein Kind auf dem Schulhof: wenn es eine tolle Idee hat, läuft sie zu ihren Mitschülern und erklärt ihnen begeistert das neue Spiels — und alle folgen ihr. Genau das braucht man für einen Film, in dem es um einen Werwolf geht!

Mögen Sie ihre Filme?
„Thirteen“ gefiel mir sehr. „Twilight“ habe ich mir nicht angeguckt, weil ich mich bei meiner Rolle nicht zu sehr in Gefahr bringen wollte, diesen Stil zu kopieren.

Inhaltlich erinnert dieser Film in vielem an „Twilight“: ein Mädchen zwischen zwei Jungen, die schicksalhafte Liebe, ein Fabelwesen, das Lebensgefahr bedeutet. Wären Sie bereit, ein neuer Pattinson zu werden?
Solch eine Vorstellung verkorkst es einen nur. Denn es hat ja nichts mit der eigentlichen Arbeit zu tun, es ist lediglich eine Folge davon. Ich versuche meinen Blick auf das Wesentliche zu konzentrieren — die Arbeit. Das Unwichtige — die Folgen der Arbeit - blende ich aus. Außerdem ist es auch schön, wenn es Menschen gibt, die das mögen, was man macht!

Ihre Figur Henry glaubt, dass Valerie irgendwann seine Liebe erwidern wird.Hätten Sie Henry geraten, anders um Valeries Liebe zu werben?
Manchmal läuft Liebe eben anders ab, als man sich das wünscht, und das lässt sich nicht ändern. Henry versucht aber nicht, sich zu ändern, nur um Valeries Vorstellung gerecht zu werden. Er bleibt sich selbst treu: Er verhält sich sehr ehrenhaft, äußert seine Absichten und zieht sich höflich zurück, als er merkt, dass sie einen Anderen liebt. Trotzdem steht er ihr in der Not bei — ehrenhafter geht es doch gar nicht! Sonst hätte es nur noch die Möglichkeit gegeben, dass er ein mittelalterlicher Stalker wird, der ihr in Büschen auflauert.

Was verbinden Sie mit „Rotkäppchen“? War das Märchen Ihnen geläufig?
Ja, meine Eltern hatten es mir früher vorgelesen. Das Märchen sollte Kinder warnen, nicht mit Fremden zu reden, vermute ich mal. Bei uns geht es eher um die Paranoia, die mit dem Einzug einer neuen Person in eine eng verwobene Gemeinschaft Einzug hält und sie dann Stück für Stück zerreißt. Ein oft beobachtetes Phänomen in der heutigen Zeit.

Wo sind Sie aufgewachsen? Auch in einer kleinen Gemeinschaft?
Ich bin in London geboren, aber wuchs die ersten sechs Jahre auf dem Land in Oxfordshire auf. Dann bin ich in Oxford aufs Internat gegangen und später in Dorset. Mit achtzehn ging ich dann wieder nach London.

Dann haben Sie auch als Model für Burberry gearbeitet?
Ja, während der Schauspielschule. Die geht ja von neun Uhr morgens bis sechs Uhr abends, da bleibt nicht viel Zeit für einen Nebenjob. Ich hab’s eine Weile versucht, aber das brachte mich um. Als mir dann der Model-Job angeboten wurde, hat der mich finanziell gut über die Runden gebracht. Warum also nicht? Ich habe dabei auch interessante Leute getroffen wie Kate Moss.

Würden Sie weitermodeln wollen?
Während der Schauspielschule klappte das prima, aber zu diesem Zeitpunkt vertragen sich diese beiden Karrieren nicht, denke ich. Beim Modeln ist man zu sehr darauf fokussiert, was von außen zu sehen ist — unser Beruf konzentriert sich eher auf das, was von innen kommt.

Würde Amerika Sie reizen?
Nein. Ich glaube es ist gut, wenn man sich ein gewisses Maß an Unerreichbarkeit bewahrt. Wenn man zu häufig Klinken putzen gehen, ist das nicht gut - in Hollywood gibt es bestimmt zehn Millionen Schauspieler. Wenn man mich dort will, kann man mich ja immer noch holen.

Würden Sie gern noch mal mit Ihrem Vater zusammen spielen? Einmal haben Sie das ja schon...
Ja, in „Bein Julia“, als ich sechzehn war. Aber jetzt würde so nach Vetternwirtschaft aussehen, deswegen möchte ich es für den Moment nicht machen. Damit hat er auch überhaupt kein Problem.

Ist es unangenehm, den Vater auf der Leinwand zu sehen?
Gar nicht, das bin ich ja gewohnt! Ich mag ihm allerdings nicht bei allen Dingen, die er auf der Leinwand tut, zuschauen - insofern sehe ich mir bestimmte Filme mit ihm sicher nicht an... Aber im Großen und Ganzen gefällt mir, was er macht.

Haben Sie in Erwägung gezogen, Ihren Namen zu ändern?
Nein, nie! Ich bin nun mal sein Sohn, und den Namen ändern zu lassen, würde letztendlich nur für mehr Aufmerksamkeit sorgen. Ich schäme mich ja auch nicht für ihn, im Gegenteil, ich bin stolz auf ihn und auf meine Familie! Es heißt immer, man tritt in jemandes Fußstapfen, aber eigentlich ist das ein unzutreffendes Bild. Was ich möchte, ist, meinen eigenen Weg zu gehen.