Schauspielerin Martina Gedeck: „Ich könnte vor Wut schreien“

Schauspielerin Martina Gedeck erklärt, was sie am deutschen Fernsehen stört und warum sie oft international arbeitet.

Düsseldorf. Frau Gedeck, „Nachtzug nach Lissabon“ (Kinostart am Donnerstag) ist eine von vielen internationalen Produktionen, in denen Sie mitspielen. Warum besetzt man Sie so oft im Ausland, andere deutsche Kolleginnen aber nie?

Martina Gedeck: Das hat oft ganz einfach damit zu tun, dass sie die Sprache nicht können. Das ist immer die erste Hürde. Ich musste früher immer zuerst Probeaufnahmen machen, um zu zeigen, wie gut ich auf Englisch spielen kann, wie stark der Akzent ist. Bis sich dann herumgesprochen hat, dass ich es kann. Ich bin in diesen Dingen auch wahnsinnig pingelig und trainiere bis zum Umfallen, damit ich keine Fehler mache.

Arbeiten Sie dann am Set mit einem „Dialog-Trainer“?

Gedeck: Wenn möglich, fange ich sehr früh an, mit diesen Leuten zu arbeiten, damit ich die Technik irgendwann verliere und es in Fleisch und Blut übergehen kann. Und ich habe auch immer ein kleines Sprechgerät, mit dem ich arbeite, damit ich höre, wie es von jemandem klingt, der die Sprache kann. Aber es ist viel, viel Arbeit.

In Amerika ist man nach wie vor empfindlich, was Akzente angeht.

Gedeck: Sie haben Recht, in Amerika muss man schon ohne Akzent spielen, da gibt es ganz wenige Ausnahmen. Aber es kommen schon immer wieder Angebote, wo ich denke: super. Und dann platzt das wieder. Ich war jetzt zum Beispiel im Gespräch für die Rolle der Raissa Gorbatschowa (in einem Film über Michail Gorbatschow, Anm. d. Red.), neben Michael Douglas und Christoph Waltz. Ich habe den Regisseur schon getroffen, das war so gut wie unter Dach und Fach, aber es hat dann nicht funktioniert, weil sie gesagt haben: Dann wären zwei Deutsche im Film, und das sind uns zu viele.

Das heißt, besonders für das internationale Geschäft muss man sich ein dickes Fell zulegen?

Gedeck: Ich hab mir schon länger abgewöhnt, mich zu sehr in ein Projekt festzubeißen, solange ich den unterschriebenen Vertrag noch nicht auf meinem Tisch liegen habe. Erst wenn ich weiß: Okay, wir fangen am 19. März an zu drehen, stürze ich mich in die Arbeit. Man entwickelt eine Flexibilität. Ich kann jetzt noch nicht sagen, was ich in diesem Jahr machen werde. Die Sachen liegen da, aber ich weiß nicht, ob beziehungsweise wann sie zustande kommen. Und irgendwann ist man an dem Punkt, wo man sagt: Gut, ich lebe damit, dass ich in einer Planungsunsicherheit lebe. Und das muss man aushalten können. Man darf nicht zu enttäuscht sein und sagen: Ich bin ein Nichts. Dann kann man als Künstler oder Schauspieler einpacken.

Sie sind mittlerweile überwiegend im Kino zu sehen. Hat Ihnen das Fernsehen überhaupt noch etwas zu bieten?

Gedeck: Es gibt jetzt ein sehr gutes Fernsehprojekt, das ich geneigt bin zu machen im Herbst. Da geht es um eine Geschichte mit aktuellem Zeitbezug. Und im Mai läuft ein Film, den ich mit Klaus Maria Brandauer über das Thema „Demenz“ gedreht habe. Das finde ich beim Fernsehen immer toll, dass man tatsächlich auf das reagieren kann, was passiert ist. Es gibt immer wieder tolle Projekte, bei denen ich gerne mitmache. Ich finde, das Fernsehen ist unbedingt eine kulturelle Kraft, die ausgeschöpft werden muss bei uns — und die auf Vordermann gebracht werden muss.

Im US-Fernsehen gibt es immer mehr beliebte Serien, in denen Hollywoodschauspieler und -regisseure arbeiten. Schauen Sie die? Und wenn ja, voller Neid?

Gedeck: Von Berufswegen müsste ich mir das anschauen, aber für mich ist das auch vertane Zeit. Wahrscheinlich, weil ich jetzt in der zweiten Lebenshälfte bin, denke ich: Was mach ich mit meiner Zeit? Ich möchte lieber mit meinen Eltern zusammen sein, die sind nicht mehr die jüngsten. Oder mit meinen Nichten, oder ich möchte lieber alleine sein und einen Brief schreiben oder lesen. Außerdem habe ich mehr Lust, so was selbst zu spielen, ich möchte, dass wir solche Serien hier auch drehen. Und ich könnte vor Wut darüber schreien, dass man Dominik Grafs Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ seinerzeit auf 23 Uhr platziert hat. Und dass es nach „Der Turm“ gleich noch 20 „Turms“ geben muss. Jetzt müssen es plötzlich alles DDR-Stoffe sein, mit immer den gleichen Schauspielern nach dem immer gleichen Grundprinzip verfilmt. Angst, Angst, Angst regiert da.