Skandal um Lars von Trier
Cannes (dpa) - Nach seinem Festival-Rausschmiss hält Lars von Trier in einem Luxushotel in den Bergen über Cannes Hof. Er versucht zu erklären, gibt sich gut gelaunt, doch seine Hände zittern.
„Ich bin ein Nazi.“ Mit diesem Satz und anderen Provokationen entsetzte der Regisseur Lars von Trier das Festival in Cannes und sorgte für einen der größten Skandale des Filmfestes. Einen Tag nach seinen provokanten Äußerungen über Hitler und die Nationalsozialisten erklärte ihn das Festival am Donnerstag zur „unerwünschten Person“. Das gab es seit Beginn der Festivalgeschichte noch nie. Und von Trier? Der lud am Nachmittag Journalisten zum Gespräch und erklärte der Nachrichtenagentur dpa und anderen Medien: „Ich mag ein Schwein sein, aber ein Nazi bin ich nicht.“
Von Trier, seit seiner Kindheit wegen Depressionen in Behandlung und getrieben von zahlreichen Phobien, sitzt in Mougins, einem verschlafenen Bergdörfchen nördlich von Cannes, in einem Ledersessel im Garten und hält Hof. Vor ihm zahlreiche Journalisten, die extrem irritiert sind. „Ein armer Irrer, der außer Kontrolle geraten ist“, sagen die einen. „Egal wie krank er ist: Über so etwas macht man keine Witze“, finden die anderen.
Der Däne gibt sich gut gelaunt, doch seine zitternden Hände verraten, dass der 55-Jährige möglicherweise doch nervöser ist, als er zugibt. „Es war natürlich völlig bescheuert, was ich gesagt habe“, gesteht er einen Tag nach der Premiere seines Wettbewerbsbeitrages „Melancholia“, in dem Stars wie Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland und Udo Kier mitspielen. „Ich möchte mich dafür entschuldigen, wenn sich Leute wegen meiner Äußerungen schlecht fühlen.“
Allerdings seien die Sätze auch aus dem Zusammenhang gerissen worden, sagt der Däne, der mit seinen teilweise gewalttätigen und pornografischen Filmen wie „Antichrist“ immer wieder für heftige Kontroversen sorgte und in Cannes 2000 die Goldene Palme für „Dancer In The Dark“ gewann. „Natürlich sympathisiere ich nicht mit Hitler.“ Er habe lediglich sagen wollen, dass er ihn sich in seinem Bunker vorstellen könne.
Auch der Nazi-Satz müsse mit den Aussagen davor gesehen werden, so von Trier und wiederholt seinen Gedankengang: Er habe lange Zeit gedacht, er sei Jude. Doch dann habe er vor einigen Jahren herausgefunden, dass er einen anderen Vater habe, dass sein Vater ein Deutscher gewesen sei. Dann habe er gesagt „Ich bin ein Nazi“.
Was offenbar als Witz gemeint war, kam bei vielen nicht so an, auch nicht beim Festival. Von Trier musste seinen Festivalausweis abgeben und darf das Gelände nicht mehr betreten. Zumindest in diesem Jahr.
Das Festival begründete die Entscheidung damit, von Triers jüngste Kommentare seien „nicht akzeptabel, nicht tolerierbar und stehen im Gegensatz zu den Idealen der Humanität und Großzügigkeit“ des Festivals. Thierry Frémaux, der künstlerische Leiter, sagte: „Er ist bekannt für seine Provokationen, aber er hat begriffen, dass er dieses Mal zu weit gegangen ist.“
Dennoch irritiert der Schritt des Festivals viele. Warum wird von Trier verbannt, sein Film aber bleibt im Wettbewerb? Und warum erklärt man einen Regisseur, der seit Jahren mit seinen Äußerungen und Werken provoziert, nun zur unerwünschten Person?
Von Trier dagegen gibt sich schon etwas reumütig, kann aber nicht ganz aufhören, gegen den Strom zu schwimmen. Ja, er trinke keinen Alkohol und nehme auch keine Antidepressiva mehr, sagt er am Ende des Gesprächs unter Sonnenschirmen. „Aber genau das hat mich ja auch in eine blöde Situation gebracht“. Immerhin wäre er unter Medikamenteneinfluss bei der Pressekonferenz sicher umnebelter gewesen und hätte nicht so viel geredet. „Ich sollte also lieber wieder Medikamente nehmen und Alkohol trinken - das hat mich zu einem besseren Menschen gemacht.“