"Tatort"-Kritik "Tatort: Level X" über Mord an Youtube-Star strotzt vor Klischees

Ein Internetstar wird erschossen. Der Mord wird live im Netz übertragen. Der Dresdner Tatort bietet krasse Themen - und bleibt billig und absurd.

Foto: Gordon Muehle

Im Dresdner „Tatort“ „Level X“ (Drehbuch: Richard Kropf; Regie: Gregor Schnitzler) betreten die Ermittler Neuland und sehr dünnes Eis. Es geht um Internetstars, „Pranks“ und Livestreams.

Kriminaloberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) verfolgt zufällig gemeinsam mit ihrem Sohn Aaron den Mord an Simson live am Computer und leitet unmittelbar die Fahndung ein. Simson ist ein „Prankster“, jemand der Leuten Streiche spielt und diese dann live im Internet überträgt. Das bringt Klicks und Klicks bringen Geld. Bei seinem letzten Streich hat er heimlich auf einer Party einer Rockergruppe mit einer Drohne filmt. Kurz darauf wird er erschossen. Der Mord wird live im Internet übertragen. Vom Täter fehlt jede Spur. Die Rockergruppe hat schnell ein Alibi, dafür finden sich bald unzählige Tatverdächtige mit den verschiedensten Motiven im Fadenkreuz der Oberkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski).

Da wäre Simsons Manager Magnus Cord (Daniel Wagner). Ein schmieriger, vollkommen überzeichneter Charakter, der mit seiner Profit- und Klickzahlengier auch aus Simsons Tod Profit zu erwirtschaften möchte. Dann gibt es da noch den ehemaligen besten Freund von Simson, der nun dessen Rolle als „Prankster“ übernehmen möchte, einen karrieristischen Arzt, der mit Tabletten dealt, eine Pfarrerin, die scheinbar nicht mehr an ihre jugendliche Tochter herankommt und eine Rockergruppe und so weiter und so fort… Ein buntes Potpourri aus sehr einseitigen Stereotypen. Und da liegt das Problem...

Ermittlerin Henni Sieland (li, Alwara Höfels) betrachtet Simsons (re, Merlin Rose) Leiche.

Foto: Gordon Muehle

Die Charaktere in „Level X“ lassen sich in drei Gruppen einteilen: die Konsumenten der Livestreams, durchgehend als minderjähriges, passives Klickvieh der Internetstars dargestellt, allenfalls gut genug um die Polizei bei den Ermittlungen zu stören und in einer seltsam gekünstelten Jugendsprache die Videos zu kommentieren („Ey alter wasn swag“). Konsumiert wird was da ist: Livestreams von Selbstmord-Pranks, echte Selbstmordversuchen, Zeugenverhören oder Vergewaltigungen.

Dann sind da die Internetstars und der Manager. Allesamt voller narzisstischem Selbstdarstellungsdrang, Neid und Profitgier. Alles wird gefilmt, live übertragen, es könnte ja Klicks bringen und Klicks bringen ja Geld.

Zuletzt die Fahnder: Sie dienen offensichtlich als Identifikationsfiguren für das Publikum: Keine Ahnung — Kein Interesse. Am besten das Internet direkt abschalten. Die entscheidenden Fahndungserfolge erzielen dann auch nicht Henni Sieland, Karin Gorniak oder Peter Michael Schnabel, sondern Kriminaltechniker Ingo Mommsen (Leon Ullrich): Immer wenn die Kommissare nicht weiterwissen liest er eine Festplatte aus oder hackt sich in die Cloud eines Tatverdächtigen. Diese Tatsache konterkariert dann wieder die Dauerverteufelung aller modernen Kommunikationsmittel.

Alle Ermittler haben gemein, dass sie bislang von Prankstern und Internetstars keine Ahnung haben. Allen voran Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach), der mit seinem Spruch „Könnte nicht irgendjemand das verdammte Internet endlich wieder abschalten?“ die Essenz des gesamten Tatorts auf den Punkt bringt. Es wird ein klischeebeladenes Bild für die „Generation Neuland“ gemalt, welches jedes Vorurteil über die neue Internetwelt bestätigt und bekräftigt.

Manager Magnus Cord (Daniel Wagner) beim Beten mit den Fans des ermordeten Internetstars Simson.

Foto: Gordon Muehle

Einen geeigneten Beitrag für eine gesellschaftliche Diskussion bietet der Tatort „Level X“ leider nicht. Die Vermischung der klischeebehafteten, absurd überzeichneten Figuren und den (durchaus drastisch bebilderten) Themen Selbstmord und Vergewaltigung will nicht funktionieren. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Tatort — wie so vielen Internetphänomenen - sehr schnell in Vergessenheit gerät.