Tom Sawyer: Nicht alle Streiche sind lustig
Hermine Hundgeburth verfilmt Mark Twains Klassiker „Tom Sawyer“ mit viel Fantasie und Spannung.
Düsseldorf. Das deutsche Kino geht beim Kinderfilm stets auf Nummer sicher und hält sich an Adaptionen von buchhandelsgeprüften Bestseller-Romanen oder an bewährte Kinderbuchklassiker, die auch die Elterngeneration ins Kino locken. Mark Twains „Die Abenteuer von Tom Sawyer“ gehört seit nunmehr 135 Jahren zur Grundausstattung jeder Kinderzimmerbibliothek.
Die Streiche des frechen Jungen und seines Freundes Huckleberry Finn sind zwar in Mississippi angesiedelt, aber mit ein wenig ausstatterischem Einfallsreichtum lassen sich die Sumpflandschaften des amerikanischen Südens auch an die Havel verlegen: Die Dorfszenen wurden bei Berlin gedreht, die anderen Außenaufnahmen in Rumänien.
An gestalterischer Fantasie fehlt es Hermine Hundgeburths Verfilmung nicht. Der Film schwelgt in den nostalgischen Kulissen und vermittelt ein sicheres Gefühl dafür, wie eng die noch junge Zivilisation amerikanischer Siedlerorte mit der wilden Natur um sie herum verbunden war. Gleich zu Beginn rasen die beiden Jungs durch das pulsierende Hafenstädtchen St. Petersburg und entdecken den Ort als riesigen Abenteuerspielplatz. Wenig später sitzen sie vor Hucks Tonne direkt am Fluss, braten Fisch am Stock und genießen die Freiheit, die nur die Natur Kindern in dieser Form schenken kann.
Dazu kommen Toms Streiche, die auch die Kinder von heute noch freuen dürften, etwa wenn er die Nachbarskinder dazu bringt, für ihn den Zaun zu streichen, und sie dafür auch noch blechen lässt.
Aber die Freiheit am Rande der Zivilisation hat auch ihre Schattenseiten. Gefahr, Mord, Totschlag und Lynchjustiz gehören zu dieser Welt, deren dunkle Seiten Mark Twain ebenso eindringlich beschreibt wie die kindlichen Glücksgefühle.
Wenn Tom und Huck bei einer nächtlichen Mutprobe auf dem Friedhof zufällig beobachten, wie der gemeine Indianer Joe (Benno Fürmann) den Arzt erschlägt, dann ist das keiner dieser belanglosen Videospiel-Tode, sondern ein gemeiner Mord, der die beiden Freunde und die Kinder im Publikum erschaudern lässt.
Aus Angst vor Joes Rache schwören sich die Freunde, dieses Geheimnis niemals preiszugeben, Tom erzählt es nicht mal seiner Tante Polly (Heike Makatsch). Doch als Joe die Tat dem liebenswerten Trunkenbold Muff Potter (Joachim Król) unterschiebt, bricht Tom den Schwur, um ihn vor dem Galgen zu retten.
Hier findet der Film einen guten Umgang mit der Vorlage, indem er dem Schrecken ins Auge sieht, ohne sich an ihm zu weiden. Toms Konflikt zwischen Angst und Gerechtigkeitsempfinden bietet auch heute noch für Kinder ein großes Identifikationspotenzial. Regisseurin Hundgeburth gelingt es, diese moralischen Eckpfeiler der Geschichte klar herauszuarbeiten und sie mit den lustvollen Elementen kindlichen Abenteurertums und komödiantischen Einlagen zu einem ebenso gehaltvollen wie unterhaltsamen Kinderfilm auszubauen.